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Demaskiert: Nach dem Richterspruch stehen die Karten für Berlusconi schlecht.

© Reuters

Update

Nach Berlusconi-Urteil: Wie geht es mit Italiens Politik weiter?

Silvio Berlusconi ist verurteilt. Seine Partei ist jedoch an der Regierung beteiligt, die Abgeordneten bauen nun eine Drohkulisse auf. Keiner weiß, ob Berlusconi nun noch an der Großen Koalition festhält: Wie geht es weiter mit Italiens Politik?

Als Regierungschef Enrico Letta am Freitagvormittag vor die Presse tritt, tut er so, als habe das Erdbeben um Silvio Berlusconi niemals stattgefunden. Niemand, so beteuert der 46-jährige Sozialdemokrat, habe in seinem Kabinett an diesem Morgen über das Urteil gegen den Ex-Staatschef gesprochen, also auch nicht die fünf Minister aus Berlusconis Partei „Volk der Freiheit“. Erst auf Nachfrage sagt Letta, dass „jetzt das Wohl des Landes über Einzelinteressen von Personen und Parteien“ zu stehen habe. Dass er weiterhin auf die Große Koalition der Sozialdemokraten mit Berlusconis Partei vertraue, dass er aber nicht „um jeden Preis weiterregieren“ wolle, wenn man ihn und die Regierung bewusst verschleiße.

Wie haben Berlusconi und seine Partei auf das Urteil reagiert?

Am Freitagabend bauten die Abgeordneten von Berlusconis PdL aus Protest gegen die Verurteilung ihres Parteichefs eine Drohkulisse auf: Nach den Berichten italienischer Medien übermittelten sie ihren jeweiligen Fraktionschefs in den beiden Parlamentskammern ihre Rücktrittsgesuche. Die PdL-Abgeordneten fassten ihren Beschluss den Berichten zufolge bei einem Treffen in Rom. Bei dem Parlamentarier-Treffen sagte Berlusconi nach den Angaben eines Teilnehmers, seine Partei müsse entweder für eine Justizreform kämpfen oder Neuwahlen anstreben.

Noch am Donnerstagabend schickte Berlusconi den Italienern eine Fernsehbotschaft, in einer Mischung aus mühsam zurückgehaltener Wut, aus Trotz und aus Tränen. Vor der Nationalfahne hatte er die „unverantwortlichen, von keinem gewählten“ Richter, diese „schrecklichste aller Gewalten“, gegeißelt, die ihm „in mehr als 50 Prozessen eine Gewalt angetan“ hätten, „die sich keiner vorstellen kann“. Er habe „Milliarden und Milliarden an Steuern gezahlt“, Opfer gebracht und sein „geliebtes Land“ auf der Welt in bester Weise vertreten. Und jetzt ereilten ihn trotzdem vier Jahre Haft und der Verlust des Parlamentsmandats. „Ist das das Italien, das wir wollen?“

Spitzenvertreter – auffälligerweise keine Regierungsmitglieder – aus seinem „Volk der Freiheit“ versicherten pausenlos, dass Berlusconi auch in Zukunft ihr „charismatischer“, ihr „von Millionen Italienern geliebter“, „unumstrittener Leader“ in der „stärksten Partei Italiens“ bleiben werde.

Wie verhalten sich die Sozialdemokraten?

„Wir wollen, dass das Urteil respektiert und die Gesetze angewendet werden“, sagte Guglielmo Epifani am Donnerstag nach dem Urteilsspruch. Der Chef der Sozialdemokraten wollte klarstellen, dass Berlusconi bei der Verteidigung seines Parlamentsmandats auf keine Begnadigung durch den Bündnispartner hoffen darf.

Berlusconis Partei sprach danach von einer „unwürdigen Provokation“ – und warf den Sozialdemokraten exakt das vor, was diese ihrerseits von Berlusconi befürchten: dass sie „der Großen Koalition den Stecker herausziehen“ wollten. Weil Italiens Wähler normalerweise den abstrafen, der eine Regierung zum Platzen bringt, schieben die Parteien einander bereits im Voraus die Schuld am erwarteten Scheitern der Großen Koalition zu. Und so versteht sich auch Lettas Bemerkung besser, dass er sich „von keinem verschleißen lassen“ wolle.

Berlusconis weitere politische Pläne.

Lettas Satz von den persönlichen Interessen, die jetzt nicht über den Interessen des Landes stehen sollten, war aber nicht nur auf Berlusconi gemünzt. Bei den Sozialdemokraten tobt der Kampf um den Vorsitz. Die Anführer verschiedener Strömungen wollen die Macht in der Partei an sich reißen und im richtigen Augenblick Spitzenkandidat für die gewiss nicht fernen Parlamentswahlen werden. Ob die Mehrheit der Sozialdemokraten also tatsächlich für den Ausschluss Berlusconis aus dem Senat stimmt und damit unweigerlich die Große Koalition aufkündigt, hängt nach Ansicht vieler Beobachter einzig vom Zeitpunkt des Votums ab: Es wird dann sein, wenn die sich am stärksten fühlende parteiinterne Fraktion den richtigen Zeitpunkt für sich selbst gekommen sieht.

Was sind Berlusconis weitere politische Pläne?

Zur Stunde weiß keiner, was Berlusconi wirklich vorhat. Dass der Ex-Staatschef an der Großen Koalition und an der Regierung Letta festhalten wolle, hat er in seiner Fernsehansprache an die Nation am Abend des Urteils nicht wiederholt. Es gibt für die Sozialdemokraten berechtigten Grund zur Sorge: Als Berlusconi im Herbst vergangenen Jahres die erstinstanzliche Verurteilung wegen seiner Steuerdelikte einfuhr, kündigte er einige Tage später der Technokratenregierung von Mario Monti das Vertrauen auf.

„Es wäre ein Verbrechen“, sagte Regierungschef Enrico Letta daher am Freitag, die aktuelle Regierung in genauso „übler Weise“ zu stoppen – gerade jetzt, da die Konjunkturaussichten freundlicher würden „und unsere Arbeit Früchte bringt. Sie sind ganz nahe. Wir können sie schon anfassen“. Denn der Regierungschef würde mit seiner jungen, intern offenbar gut harmonierenden Mannschaft gerne Italien aus Krise führen. Doch im Gezänk der Parteien, die ihn eigentlich stützen sollten, kommt er nicht dazu.

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