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AfD-Delegierte stimmen beim Bundesparteitag in Stuttgart ab.

© imago/Christian Thiel

Nach dem AfD-Bundesparteitag: Das Menetekel von Stuttgart

Was bedeutet die Etablierung der AfD? Überall wo in Europa die Rechtspopulisten aufsteigen, werden die Parteien in der Mitte zu Getriebenen - das sollte auch den Protagonisten in Deutschland eine Warnung sein. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Seit dem Bundesparteitag am Wochenende dürfte es auch dem Letzten klar geworden sein: Die AfD gehört zu Deutschland (so wie übrigens auch der Islam zu Deutschland gehört). Die Alternative für Deutschland ist dabei, sich längerfristig im Parteiensystem zu etablieren.

Nun gibt es nicht wenige, die diese Entwicklung nur achselzuckend zur Kenntnis nehmen. Die Tatsache, dass sich rechts von der CSU eine Partei festsetzt, wird gelegentlich so verstanden, dass in Deutschland lediglich eine Entwicklung nachvollzogen wird, die in vielen Staaten in der Mitte und im Norden Europas schon lange im Gange ist. Wenn sich die Österreicher und die Schweizer Rechtspopulisten vom Schlage der FPÖ und der SVP leisten können, so lautet diese Lesart, warum sollte Deutschland dann nicht einen Rechtsausleger wie die AfD ertragen?

Man kann natürlich die AfD als nötiges Ventil für all jene begreifen, die sich ansonsten vom Politikbetrieb abwenden würden. Man kann die AfD als Ausdruck einer zunehmenden Zersplitterung unserer Gesellschaft sehen. Man kann die AfD als Stimme all jener verstehen, die Vertreter der etablierten Parteien mit den Worten „Man wird doch noch sagen dürfen...“ gerne herausfordern. Aber eines sollte man nicht tun: Die Auswirkungen der AfD-Erfolge auf die etablierten Parteien unterschätzen. Der Rechtsruck, der in Ländern wie der Schweiz und den Niederlanden in den letzten Jahren zu beobachten war, vermittelt eine Ahnung davon, worauf sich auch Deutschland möglicherweise noch einstellen muss.

Ausgrenzung wird zum politischen Motto

Jenseits der deutschen Grenzen hat sich im letzten Jahrzehnt eine Entwicklung abgespielt, die in vielen Ländern einem politischen Temperatursturz gleichkommt. In Frankreich, der Schweiz in den Niederlanden, um nur drei Beispiele zu nennen, ist inzwischen ein nicht unerheblicher Bestandteil der Bevölkerung nicht mehr bereit, sich auf einen Dialog mit dem Islam einzulassen. Diese Grundstimmung war auch beim Bundesparteitag der AfD zu spüren: Ein Delegierter, der dazu aufrief, das Gespräch in den muslimischen Gemeinden vor Ort zu suchen, wurde in Stuttgart ausgepfiffen.

Nimmt man die gesamte Nachkriegsgeschichte als Maßstab, dann ist ein derartiger Stimmungswandel in Ländern wie den Niederlanden, der Schweiz oder Frankreich eine vergleichsweise junge Entwicklung. In der Schweiz setzte sie 1999 ein, als es der SVP gelang, sich als stärkste Partei zu etablieren. In den Niederlanden hat sich der gesamte gesellschaftliche Diskurs weit nach rechts verschoben, nachdem der Politiker Pim Fortuyn, der als Galionsfigur der Rechten galt, 2002 ermordet wurde. Der Aufstieg des Front National in Frankreich hat indes eine längere Vorgeschichte. Seit den Achtzigerjahren hat der Front National dort seine Wählerklientel vergrößert: Erst rekrutierte die Partei Kleinunternehmer, dann die Arbeiter und inzwischen auch Wähler aus der gesellschaftlichen Mitte.

Koordinaten haben sich in Ländern wie Frankreich und den Niederlanden nach rechts verschoben

Der Aufstieg der Rechten bringt indes die übrigen Parteien so stark unter Zugzwang, dass sich die politischen Koordinaten insgesamt verschieben. Das jüngste Beispiel lieferten in Frankreich die regierenden Sozialisten mit ihrem inzwischen beerdigten Vorschlag, verurteilten Islamisten die französische Staatsbürgerschaft zu entziehen. Dieser Vorschlag stammt ursprünglich aus dem politischen Arsenal des Front National – und er ist nichts weiter als reine Symbolpolitik.

Ähnliches lässt sich nun auch in Deutschland beobachten. Hier wird gerade eine Scheindebatte über die Frage geführt, ob die Kontrollen an der Grenze zwischen Deutschland und Österreich auch über Mitte Mai hinaus verlängert werden sollen. Tatsächlich liegen die Brennpunkte in der Flüchtlingskrise aber gar nicht an der Grenze zwischen Deutschland und Österreich, sondern anderswo: In der Türkei, an der Küste vor Libyen und demnächst möglicherweise wieder in Italien.

Symbolpolitik statt echter Lösungen – zu diesem Ergebnis hat der Erfolg der Rechtspopulisten vielerorts in Europa schon geführt. Auf diese schiefe Bahn sollte Deutschland nicht kommen.

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