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Viele Menschen in Pakistan wollen Rache, die Taliban sollen für ihren Terror bezahlen.

© Reuters

Nach dem Anschlag in Peschawar: In Pakistan sollen hunderte Taliban-Häftlinge gehängt werden

Aus Rache will die pakistanische Regierung hunderte Häftlinge hängen, um Stärke zu demonstrieren und als Zeichen im Kampf gegen die Taliban. Menschenrechtsorganisationen protestieren und fürchten, dass so noch mehr Unschuldige sterben.

Die Bilder von blutverschmierten Kinderleichen lassen die Pakistaner nicht los. Am Dienstag hatten sechs Taliban-Kämpfer ein Massaker in einer Schule in Peschawar an der afghanischen Grenze verübt. Die Selbstmordattentäter rissen dabei rücksichtslos 142 Menschen, meist Kinder, mit in den Tod. Pakistan hält weiterhin inne. Pakistan diskutiert aber auch offener denn je über den Kampf gegen den Terror, über den Umgang mit den Taliban und über Rache.

Die Regierung in Islamabad kündigte schon kurz nach der Attacke auf die Schule in Peschawar an, dass alle zum Tode verurteilten Straftäter, die mit Terrorismus in Verbindung gebracht werden können, zeitnah gehängt werden sollen. In den nächsten Tagen sollen zunächst diejenigen getötet werden, die schon mal mit einem Gnadengesuch scheiterten. Rund 55 Häftlinge seien davon betroffen. Im Jahr 2008 hatte der damalige Präsident Asif Ali Zardari die Todesstrafe ausgesetzt. Und so häuften sich die Todeskandidaten in den Zellen des Landes.

In pakistanischen Gefängnissen warten laut der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch rund 800 wegen terroristischen Straftaten verurteilte Häftlinge auf die Vollstreckung ihres Urteils. Bis zu 17 000 weitere Angeklagte müssen nun zeitnah mit der Todesstrafe rechnen.

Amnesty International und der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte kritisieren Pakistan allgemein für die Rückkehr zur Todesstrafe. Die Organisation „Justice Project Pakistan“ aus Lahore berichtet, dass viele Häftlinge gefoltert worden seien. Ihre Geständnisse seien somit nicht rechtsstaatlich zustande gekommen, unter ihnen seien auch Unschuldige.

Rache als Zeichen der Stärke

Doch Premierminister Nawaz Scharif möchte Stärke zeigen: „Wir starten demnächst mit den Vollstreckungen und werden keinen Terroristen aussparen“, sagte er am Mittwoch. Der Terroranschlag am Dienstag hat die pakistanische Gesellschaft durchgerüttelt. Das Militär und die Regierung gingen bisher eher lethargisch, halbherzig und von Außen getrieben gegen den Taliban-Dachverband „Tehrik-i-Taliban Pakistan“ vor.

Die USA trieben Regierung und Armeeführung in Pakistan nach den Anschlägen vom 11. September im Kampf gegen die Taliban voran. Der Antiterroreinsatz in Waziristan im Norden des Landes basiert daher auf unbemannten US-Drohnenangriffen auf Taliban-Stellungen. Regelmäßig kommen dabei auch Zivilisten ums Leben.

Doch die pakistanische Wut richtet sich in diesen Tagen gegen die Taliban. Die Todesstrafe soll der Bevölkerung zeigen, dass die Opfer von Peschawar gerächt werden. Doch die meisten Beobachter fragen, ob diese Art von Rache tatsächlich ein Mittel gegen den Terror im Land sein kann.

Taliban gegen Taliban?

Und noch eine Frage stellt sich: Könnte es zu einem Krieg zwischen den Taliban in Afghanistan und in Pakistan kommen? Kurz nach den Attacken von Peschawar verurteilten die Taliban in Afghanistan die Tat ihrer Schwesterorganisation in Pakistan. Michael Semple ist Afghanistan-Experte an der Queen’s University Belfast, er hat gute Kontakte in die verschiedenen Talibangruppen in Afghanistan.

„Es wird keinen grenzüberschreitenden Krieg zwischen den Taliban geben“, sagt Semple. Während die internen Rivalitäten auf lokaler Ebene die Taliban in beiden Ländern weiterhin beschäftigten, seien die Taliban gut darin trainiert, grenzüberschreitende Konflikte zu vermeiden.

Eine Eskalation schließt Semple aus und erklärt, dass anders als die Taliban in Pakistan, die ausschließlich mit Terror arbeiten, die Organisation in Afghanistan nach Legitimation im Land und in den internationalen Beziehungen strebe. Die afghanischen Taliban töten und äußern sich häufig öffentlich, um als Akteur wahrgenommen zu werden. Die Verurteilung der Attacke auf die Schule in Peschawar, erklärt Semple, könne man daher getrost als Politik bezeichnen.

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