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Theresa May.

© REUTERS

Nach dem Brexit-Votum: Theresa May muss zügiger Klarheit schaffen

Die Unsicherheit nach dem EU-Referendum in Großbritannien ist groß, die Wirtschaftsdaten sind schlecht, die Notenbank senkt den Leitzins. Die Regierung in London steht unter Erklärungsdruck. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albert Funk

Wie hatten sie es sich doch so schön zusammengelogen: Mit dem Austrittsvotum vom 23. Juni, das die Brexiter auf der Insel und auch anderswo als historische Großtat feiern, sollte der Schritt getan werden in eine helle, heile Zukunft, ins Globale ausgreifend, in der aber tatsächlich das Nationale, Regionale oder auch nur das Gebiet rund um den eigenen Kirchtum den Maßstab hergibt. Allerdings muss nun die Bank of England erst einmal dafür sorgen, dass die kurzfristigen wirtschaftlichen Folgen nicht ganz so gravierend sind. Ob es viel bringt, den ohnehin niedrigen Leitzins erneut zu minimalisieren und dazu nochmals für viele Milliarden Pfund Anleihen zu kaufen auf einem Markt, der langsam leegefegt wird durch die Zentralbankzauberer – wer weiß das schon? Sicher aber ist, dass die insuläre Sehnsucht nach Eigensinn auch andere betrifft. Denn man kann sich zwar herauswünschen aus der europäischen Vernetzung, oder auch herausstimmen, aber man kann nicht deren Realität ignorieren. Mit dem Zinsschritt vom Donnerstag ist die weltweite Niedrigzinsphase nochmals verlängert worden – mit Schaden für alle, die vielleicht auch mit einem höheren Leitzins zurechtkämen. Im Übrigen ist eine solch massive Abwertung der eigenen Währung wie im Fall des Pfundes nach dem Brexit-Votum kein Zeichen dafür, dass man sich in London derzeit allzusehr um die Interessen von Partnern schert.

Ein massiver Schritt der Bank of England

Der Schritt der Bank of England ist kam früher und ist massiver, als man es erwartet hatte. Offenbar haben die Zentralbanker um Notenbankchef Mark Carney die Zeichen der vergangenen Tage und Wochen so gedeutet hat, dass der absehbare Einbruch der britischen Wirtschaft mehr sein wird als nur ein Konjunkturdämpfer. Sie wollen einer Rezession vorbauen. Sämtliche Meldungen dieser Woche deuten darauf hin: Stimmungseinbrüche in der verarbeitenden Wirtschaft, im Immobilienbereich, in der Dienstleistungsbranche. Und jetzt auch noch die Nachricht, dass schon im Juli der Arbeitsmarkt getroffen ist, dass viele Arbeitgeber Einstellungen verzögern oder nur Zeitverträge anbieten.  Es herrscht offenkundig eine deutliche Unsicherheit über den Fortgang der Dinge.

Brexiter in der Defensive

Damit wird immer deutlicher, dass Premierministerin Theresa May doch zügiger Klarheit schaffen muss, wohin sie Großbritannien führen will. Die Brexiter um den neuen Außenminister Boris Johnson hegen weiter ihre Träume vom globalen Finanzplatz mit einem weit verzweigten Netz von Handelsbeziehungen, gern mit etwas weniger Regulierung, als das im europäischen Verbund möglich ist. Sie glauben, dass das Brexit-Votum so ausgelegt werden kann, dass die Insel sich politisch und wirtschaftlich möglichst weit vom Kontinent positioniert. Doch immerhin 48 Prozent der Briten wollten genau das nicht, darunter viele junge Menschen. Wenn May die Spaltung ihrer Gesellschaft nicht noch weiter vertiefen möchte, dann folgt sie den Brexit-Hardlinern nicht und beendet die Phase der Unsicherheit mit einem Signal, dass Großbritannien möglichst eng an die EU und ihren Binnenmarkt gebunden bleibt. Das Risiko ist zwar, dass sie damit ihre Partei spaltet. Aber je deutlicher die negativen Folgen des Austrittsvotums in den nächsten Wochen werden, umso weniger Rückhalt dürften die Brexit-Hardliner haben.

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