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Die EU muss mehr und besser für sich werben - und nicht erst, nachdem es schiefgelaufen ist.

© AFP

Nach dem Brexit: Wir brauchen bessere EU-PR

Um antieuropäischen Ressentiments zu begegnen, muss Europa besser für sich werben: Mit guten Argumenten und cooler Ästhetik. Ein Aufruf.

Von Caroline Fetscher

Auch das Rauschen spielte beim selbstdestruktiven Brexit eine Rolle, das emotionale Rauschen. Es scheint eine Art Hintergrundrauschen, das in fast ganz Europa ertönt. Großbritanniens europapositive Politiker hätten diese Komponente der Debatte um Ja und Nein zur EU komplett unterschätzt, heißt es jetzt öfter. Wenig anders sieht es in weiteren EU-Ländern aus, in denen europanegative Parteien wie der Front National vom radikalen Rand her auf die Mitte zuwachsen. Überall zeigen sich in ihnen europäische Varianten des Trumpismus.

Ressentiments verfangen mittlerweile überall

Und überall nehmen bürgerliche Demokraten das Rauschen kaum zur Kenntnis, das konstante, grummelnde Gemurmel aus Irritation, Verstimmung, Verwirrung, latenter bis offener Verärgerung. Doch aus jedem Café, jeder abendlichen Runde ist es inzwischen herauszufiltern. Der Name für das Rauschen lautet: Ressentiment. Ressentiments sind starke, schwer zu fassende Affekte, eine Farbmischung aus grauem Grollen, gelbem Neid, feuerrotem Zorn und trübweiß versteckter Scham: „Die sind irgendwie gegen uns. Wir sind denen nichts wert. Wir kommen nicht mehr mit.“

Zu beobachten ist das sogar bei denen, die neulich noch wirkten wie entspannte Demokraten. Warum hat mein Sohn trotz guter Ausbildung nur Zeitverträge? Wozu habe ich promoviert, und jetzt braucht mich keine Uni? Jahrelang habe ich geackert, die Rente reicht trotzdem kaum. Aber! Korrupte Manager setzen ganze Konzerne in den Sand, verschleiern in Panamas Briefkästen ihre Geschäfte und bekommen Millionenabfindungen! Das darf doch alles nicht wahr sein! Und jetzt sollen wir auch noch Asylsuchende durchfüttern?

Gerechter Zorn vermischt mit präpolitischen Haltungen

Gerechter Zorn vermischt sich in solchen präpolitischen Haltungen mit ungerechtfertigten Annahmen, Verzweiflung mit Empörungsgenuss. Der Eindruck intransparenter Macht wird gleichgesetzt mit intransparenten Machenschaften. Das Paradiesseits scheint eine gated community, während das Jenseits ja keine tröstende Rolle mehr spielt.

De facto geht es dem Groll etwa um die Deregulierung der Wirtschaft, um die Überregulierung der Wissenschaft, um auseinanderklaffende Einkommen und die ungebrochene Selbstrekrutierung privilegierter Milieus. Beim Tasten nach Schuldigen deutet man dann rasch auf „die da oben“, in London, Paris, Berlin und im bürokratischen Beamtenbündel in Brüssel. Nirgends wirkt die Machtschicht dicker als dort, dem Kulminationsort des „da oben“.

Unsichtbar bleiben hinter den Nebeln des Grolls die enormen zivilisatorischen Vorzüge der Assoziation westeuropäischer Demokratien zu einem Staatenverbund. Was für ein Glücksfall die Europäische Union für uns Zeitgenossen ist, dass sie als konstruktive Antwort auf beispiellose Destruktion entstanden ist, das wird so wenig vermittelt wie es – deshalb - gesehen werden kann.

Zwei autistische Fehlwahrnehmungen prallen da aufeinander. Europas Funktionseliten erfassen nicht, wie schwer die Suche nach Übersicht in der zersplitterten Öffentlichkeit geworden ist. Europas Bevölkerungen, vermeintlich um ihr „nationales Wir“ betrogen, nehmen zu wenig wahr, welche Chancen das Friedens- und Kooperationsprojekt Europa bedeutet.

Die EU wirbt zu wenig für sich

Wo auch wirbt die EU für sich? Wo existieren transnationale EU-Medien? Nicht einmal für das Web-TV der Europäischen Union, personell und finanziell minimal ausgestattet, wird ansatzweise gut gesorgt. Wo bleiben EU-Radiosender, EU-Zeitungen? Was ist mit Englisch, der Lingua Franca der Union? Yes, ausgerechnet die Sprache derer, die jetzt die Scheidung einreichen. Aber sie bleibt und ist im EU-Raum nirgends offiziell die zweite Landessprache, außer in Malta und Irland.

EU-Kulturwettbewerbe, das beste Jugendbuch, der beste Film zum Thema Europa – gibt es das? Warum organisiert nicht jede Schule ihre „Model European Union“, wie manche Schulen es mit den „Model United Nations“ versuchen? Wenigstens den Hauch einer Ahnung von der Struktur, in der sie leben, sollten junge Leute erhalten. Im Haus der Europäischen Kommission am Pariser Platz in Berlin flimmern vor den Augen der Besucher lebensgroße Porträtfotos der EU-Abgeordneten auf einem meterhohen Display, daneben erhält man Glanzbroschüren in der Ästhetik einer Baufirma-Reklame.

Was da gebaut wird, ist unser Europa. Soll es fortwirken, cool, begeisternd sein, dann muss es kreativ, klar und klug kommuniziert werden. Man investiere so einiges in die Öffentlichkeitsarbeit der EU, sagt ein junger Brüsseler, der daran mitgearbeitet hat: „Nur nicht auf die richtige Weise.“ Die gilt es zu entwickeln.

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