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Schweigsam: Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg.

© dpa

Nach dem Einmarsch in Syrien: Warum ist die Türkei für die Nato so wichtig?

Seit 1952 gehört die Türkei der Nato an. Und wird als Bündnis-Partner geschätzt. Auch die Intervention in Syrien dürfte daran nichts ändern.

Zwischen die Türkei, Nato und Vereinigte Staaten passt kein Blatt. Diese Botschaft sendet General Mike Scarparotti, Oberbefehlshaber der Nato, wenige Stunden vor der Militär-Operation der türkischen Armee gegen den „Islamischen Staat“ auf syrischem Gebiet via Twitter. „Die Türkei kann auf die Nato und auf die USA zählen.“ Weiter schreibt der ranghöchste amerikanische Soldat in Europa bei seinem Kurzbesuch in Ankara: „Das Bündnis steht Schulter an Schulter mit der Türkei.“

Es ist nicht das erste Mal, dass die türkische Armee gegen den IS vorgeht, Ankara kann sich dabei aber einer breiten Unterstützung sicher sein. Bei der weltumspannenden Koalition gegen den islamistischen Terror machen etliche Mitglieder der Nato mit. Dennoch hat der Vorstoß mit türkischen Panzern auf syrisches Gebiet nichts mit der Allianz zu tun.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg schweigt denn auch zu der Operation an der Südgrenze der Verteidigungsallianz. Das ist auch nicht weiter verwunderlich. Dass das Nato-Land Türkei eine militärische Operation unternimmt, ist zunächst einmal alleinige Sache Ankaras. Es kann keine Rede davon sein, dass damit der Bündnisfall eintritt. Die verbale Unterstützung, die Ankara dabei von vielen Bündnispartnern entgegengebracht wird, spricht freilich Bände. Es zeigt, wie schnell das Bündnis nach dem Putschversuch und den Säuberungswellen wieder zur Tagesordnung übergeht.

Ohnehin ist das Bündnis in Sachen Türkei und Putschen einiges gewöhnt: Seit dem Beitritt des Landes zur Nato im Jahr 1952 hat das Militär vier Mal gegen die Regierung in Ankara geputscht. Drei Mal haben die Uniformierten die Macht übernommen. Beim jüngsten Aufstand, Mitte Juli, scheiterte der Versuch bekanntlich. Bei keinem einzigen der erfolgreichen Putsche stand jedoch jemals die Mitgliedschaft der Türkei im Verteidigungsbündnis zur Diskussion. Umso mehr bekräftigt Generalsekretär Jens Stoltenberg, dass es auch diesmal keinen Zweifel gibt: „Die Türkei ist ein geschätzter Alliierter. Die Nato-Mitgliedschaft steht nicht infrage.“ Dies hat er wenige Stunden nach dem gescheiterten Putsch mitgeteilt und Mitte August noch einmal wiederholt.

Allerdings sandte Stoltenberg noch eine zweite Botschaft. Er mahnte die Regierung in Ankara, demokratische Spielregeln einzuhalten. „Die Türkei ist Teil einer Wertegemeinschaft. Es ist entscheidend, dass die Türkei, wie alle Alliierten, den vollen Respekt vor der Demokratie und ihren Institutionen sicherstellt. Den Respekt vor der Verfassung, dem Rechtsstaat und den Grundfreiheiten.“ Das hört sich gut an, Tatsache ist aber auch, dass die Nato keinerlei Instrumente hat, um ein Mitglied zu disziplinieren, das demokratische Rechte beugt. Bei der EU ist das anders: Sie kann zum Beispiel ein Rechtsstaatsverfahren einleiten, wie im Fall Polen geschehen.

Die Türkei schlägt die Brücke von Europa nach Asien

Welche Folgen die Säuberungswellen – von denen ja im hohen Maße auch das Militär betroffen ist – für die Struktur und die Funktionsweise der türkischen Armee konkret haben, dazu herrscht in Brüssel Schulterzucken. In Nato-Kreisen wird aber aufmerksam beobachtet, welche Offiziere auf türkischer Seite als Ansprechpartner verschwinden.

Unabhängig davon ist klar, welche große Bedeutung die Türkei für die Nato besitzt. Ankara steuert zwar nur gut vier Prozent an direkten Beiträgen zum Nato-Haushalt bei. Zum Vergleich: Deutschland kommt für 14 Prozent auf. Die strategische Bedeutung der Türkei für das Bündnis ist allerdings überragend. Die direkte Nachbarschaft zu Irak und Syrien, den Krisenherden des islamistischen Terrors, macht dies deutlich. Die Türkei schlägt die Brücke von Europa nach Asien. Am Schwarzen Meer stößt das Land an den Kaukasus und damit eine Einflusszone, die Russland für sich beansprucht.

Die Nato ist in der Türkei hochrangig vertreten. In Izmir befindet sich die Kommandozentrale der Nato-Landstreitkräfte. Außerdem unterstützt die Nato die Betreuung von syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen. Von Incirlik an der syrischen Grenze, wo auch Tornados der Bundeswehr und 240 deutsche Soldaten stationiert sind, bekämpft eine internationale Allianz den IS-Terror. Wobei: Die Nato ist dabei nicht direkt eingebunden.

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