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Nach dem Fall Edathy: Künftig null Toleranz bei Nacktfotos von Kindern

Justizminister Maas will nach dem Fall Edathy die Gesetze gegen Kinderpornos weiter verschärfen.  Warum ist die Neuregelung umstritten?

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Der Fall Sebastian Edathy gab den Anstoß. Dem ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten wurde vorgeworfen, er habe jahrelang kinderpornografisches Bildmaterial aus dem Internet bezogen, was Edathy mit dem Hinweis zurückgewiesen hat, es handele sich dabei nicht um strafbares Material. Nun hat die Bundesregierung erste Schlussfolgerungen gezogen. Am Wochenende schickte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) einen Referentenentwurf für ein Gesetz zur Abstimmung in die anderen Ministerien, mit dem Kinder und Jugendliche in Zukunft besser geschützt werden sollen.

Der Minister geht in seinem Gesetzentwurf allerdings viel weiter, als das vorher erwartet worden war. Nicht nur die Herstellung und der Vertrieb von posenden und nackten Kindern soll unter Strafe gestellt werden. Maas will auch „bloßstellende“ Bilder und Filme von Jugendlichen und Erwachsenen mit Strafe belegen, wenn sie die Persönlichkeitsrechte der Abgebildeten berühren. Dieser Teil der Regelung ist schwer umstritten.

Was können die Regelungen im Bezug auf Kinderpornos bewirken?

Im politischen Raum gibt es wohl kaum jemanden, der die härtere Bestrafung von Kinder-Nacktbildern nicht begrüßt. Wer solche Bilder unbefugt anfertige oder verbreite, solle mit Haft oder Geldstrafe bestraft werden, heißt es in dem Referentenentwurf zur Reform des Sexualstrafrechts. Einen „ersten wichtigen Schritt zu mehr Opferschutz“, lobten die stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thomas Strobl und Nadine Schön. Künftig werde es keine straflose Verbreitung von Nacktfotos von Kindern mehr geben. Auch die Verjährung von sexuellem Missbrauch werde erst ab dem 30. Lebensjahr beginnen und nicht wie bisher mit dem 21. Lebensjahr. Und künftig komme es auch nicht mehr darauf an, ob ein Aushilfslehrer oder ein Klassenlehrer mit einer Schutzbefohlenen ein sexuelles Verhältnis eingeht. Beide machen sich künftig strafbar.

Was will Maas unter Strafe stellen?

Der Entwurf soll unter anderem klarstellen, dass so genanntes „Posing“ in Filmen und auf Bildern strafbar ist. Gemeint ist damit, dass Kinder ihre Geschlechtsteile in unnatürlicher Weise zur Schau stellen, sich Mädchen also mit weit gespreizten Beinen präsentieren oder Jungen mit erigiertem Penis, und dies erkennbar zu dem Zweck, den Betrachter sexuell zu erregen.

Gab es hier eine Gesetzeslücke?

Nein. Posing-Bilder waren und sind strafbar, weil sie Kinder in sexualbetonter Weise zeigen. Damit fallen solche Aufnahmen jetzt schon unter den Begriff der kinderpornografischen Schriften. Herstellung, Besitz oder Weitergabe, auch in Tauschbörsen, können mit mehreren Jahren Gefängnis bestraft werden. Dies ist bei den Gerichten anerkannt. Mit seiner Klarstellung will Maas offenbar auf die öffentliche Diskussion reagieren, in der oft (und falsch) behauptet wurde, Posing sei straflos. Diese Ergänzung im Sexualstrafrecht ist damit eher symbolische Gesetzgebung und hat kaum praktische Bedeutung.

Was ist mit den Aufnahmen nackter Kinder, die kein Posing sind?

Dies ist das wirklich Neue am Entwurf: Solche Bilder sollen künftig strafbar sein. Das Bewusstsein dafür hat sich in der Tat erst in der Edathy-Debatte entwickelt. Der Ex-Politiker soll kommerziell hergestellte Filme besessen haben, die wenig oder gar nicht bekleidete Kinder zeigen, beim Baden, spielen oder Kissenschlachten. An den typischen Posing-Merkmalen fehlt es dabei offenbar. Allerdings, so die Staatsanwaltschaft Hannover, soll die Kamera öfter auf die Genitalien zoomen. Damit ist zwar der Sexualbezug des Ganzen eindeutig, die Handlung des Kindes weist aber für sich genommen keinen auf. Folglich haben die Staatsanwaltschaften hier bisher meist auf Anklagen verzichtet. Mit Maas' Gesetz soll das anders werden. Was früher noch toleriert wurde - weil es keinen Missbrauch im strafrechtlichen Sinne darstellte - soll künftig nicht mehr toleriert werden.

Wie soll die Justiz künftig mit solchen Bildern umgehen?

Die Hausjuristen des Ministers gehen ihren Weg rechtstechnisch konsequent. Wenn Nackt-Kinderfilme keine Pornografie sind, können sie auch nicht als solche bestraft und bei den einschlägigen Tatbeständen geregelt werden. Daher weicht der Entwurf auf ein anderes Rechtsgut aus, die vor Bildaufnahmen geschützte Intimsphäre der Menschen, den höchstpersönlichen Lebensbereich. Ihn allein auf Kinder zu begrenzen, wäre widersinnig - auch Erwachsene haben Anspruch auf Schutz. Deshalb soll der künftig neu gestaltete Paragraf 201a des Strafgesetzbuches auch Erwachsene als Opfer umfassen. Der Paragraf hat bislang nur Veröffentlichung oder Weitergabe heimlich hergestellter Aufnahmen in geschützten Räumen oder Wohnungen verboten. Neu ist nun, dass das Gesetz diesen Schutz des höchstpersönlichen Lebensbereichs auch in der Öffentlichkeit gewährleisten soll. Dies allerdings nur, wenn es sich tatsächlich um "bloßstellende" Aufnahmen oder eben Bilder "unbekleideter" Menschen handelt.

"Bloßstellende Bilder" - was muss man sich darunter vorstellen?

Was sind „bloßstellende“ Bilder?

Das ist unklar. Im Gesetzentwurf ist von Betrunkenen auf ihrem Heimweg oder blutenden Gewaltopfern die Rede. "Bloßstellend" kann dagegen auch positive Assoziationen wecken, etwa wenn ein korrupter Politiker bloßgestellt wird. Hier werden die Gerichte den Straftatbestand einschränkend auslegen müssen. Auch hadert die Vorschrift erkennbar mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz, dass die Strafbarkeit eines Tuns klar und eindeutig bestimmt sein muss, damit der Bürger eine Strafe vermeiden kann. Das kann mitunter ein Grenzgang werden.

Konkret hieße das: Wer nachts in einer Bar seine Kumpel in betrunkenem Zustand filmt und das Material im Internet veröffentlicht, der könnte im schlimmsten Fall in Zukunft strafrechtlich belangt werden.

Auch das Merkmal „unbekleidet“ dürfte nicht immer klar sein. Was ist etwa mit spärlich bekleideten Kindern? Zudem ist es ein Irrtum, das Filme zur Erregung Pädophiler stets nur nackte Kinder zeigen.

Welche kriminalpolitische Bedeutung hat das Vorhaben?

Maas nimmt die Edathy-Debatte zum Anlass, er will aber abgesehen davon ein ganz anderes Strafbedürfnis festgestellt haben: Die rücksichtslosen Postings privater Bilder in öffentlich zugänglichen Internet-Foren. Hier sei die Hemmschwelle gesunken, stellt die Gesetzesbegründung fest. Zudem verfüge heutzutage fast jeder über ein Handy mit Kamerafunktion. Bisher wären solche Streitfälle nur etwas für die Zivilgerichte, etwa für Unterlassungsklagen wegen des Rechts am eigenen Bild. Nun sollen hier auch Staatsanwälte ermitteln dürfen. Das kann problematisch werden, weil jeder ein anderes Gespür dafür hat, was peinlich und bloßstellend sein soll. Zudem drohen für die Weitergabe solcher Bilder bis zu drei Jahren Haft. Bei einem solchen Strafrahmen dürften Maas und seine Beamten eher an Edathy-ähnliche Fälle gedacht haben als an die gängige Publikationstätigkeit in sozialen Netzwerken.

Überzieht Maas?

Darüber streiten jetzt die Experten. Der Medien- und Prominentenanwalt Christian Schertz kritisiert in diesem Zusammenhang beispielsweise: „Die vom Justizministerium offenbar angedachte Änderung des § 201 a StGB scheint mir jedenfalls in der jetzigen Variante nicht der richtige Weg.“ So spreche der Gesetzesentwurf davon, dass künftig auch unbefugt erstellte „bloßstellende Aufnahmen oder Bildaufnahmen von einer unbekleideten Person“ strafbar sein sollen, unabhängig davon, ob sich die abgebildete Person in einem von der Privatsphäre geschützten Raum aufhalte oder nicht. „So sehr ich mir tatsächlich aufgrund der Übergriffe der Boulevardmedien in den letzten Jahren, insbesondere was die Prävention angeht, schärfere Regelungen wünsche, sind diese konkreten Vorschläge kaum für die Praxis geeignet“, sagt Schertz. Nach Schertz Auffassung würden sich sowohl die Fotoredakteure, aber auch die Anwälte fragen müssen, wann dann eine „bloßstellende Bildaufnahme“ eines Prominenten vorliege. „Zudem wird sich auch die Frage stellen, ab wann eine Person unbekleidet ist. Sind etwa Abschüsse von Prominenten im Bikini am Strand davon erfasst oder nicht?“, fragt Schertz. „Die Erfahrung lehrt, dass genau diese Unklarheiten sich die Boulevardmedien zu Nutze machen, um weiter mit ihrer Veröffentlichungspraxis, etwa von Paparazziaufnahmen, fortzufahren.“

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