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Nach dem Mord in Dubai: Israel in der Defensive

Nach dem Mordanschlagauf den Hamas-Anführer Mahmud al Mabhuh in Dubai wurden die israelischen Botschafter in London und Dublin einbestellt. Welche politischen Folgen hat das Attentat?

Weltweit geht man davon aus, dass der israelische Geheimdienst Mossad für die Liquidierung des Hamas-Anführers Mahmud al Mabhuh verantwortlich ist. Auch in Israel selbst. Mabhuh, der von Israel unter anderem für die Entführung und Ermordung zweier israelischer Soldaten verantwortlich gemacht wird, war am 20. Januar in einem Luxushotel in Dubai getötet worden. Die internationale Polizeibehörde Interpol leitete am Donnerstag die Fahndung nach elf Verdächtigen ein.

Der oberste Polizeikommmandant von Dubai erklärte am Donnerstag: „Zu 99 Prozent, wenn nicht 100, war es der Mossad.“ Dafür sprechen das hochprofessionelle Vorgehen sowie die Verwendung gefälschter europäischer Pässe. Der Mossad war bereits in mehreren Fällen ähnlich vorgegangen. Der israelische Ex-Mossad-Agent und Geheimdienst-Publizist Mishka Ben-David zweifelt daran: „Ich glaube nicht an den Mossad.“ Vielmehr verweist er auf den britischen Geheimdienst MI6, der „keine britischen Pässe hätte fälschen müssen, sondern sie zur Hand hatte“ und sie nur mit den Angaben britische Bürger sowie Passfotos seiner Agenten hätte versehen müssen. Tatsächlich waren die sechs britischen Pässe des Exekutionskommandos nicht gefälscht, sondern nur mit Agentenfotos versehen. Bei den drei irischen Pässen handelt es sich um Totalfälschungen. Der Chef der mit Hamas über den Iran eng verbündeten libanesischen Hisbollah, Scheich Nassrallah, verglich die Ermordung Mabhuhs mit der seines Stellvertreters Emad Maghanija vor zwei Jahren.

Die beiden extremistischen Gruppierungen haben nun ein existenzielles Problem. Offenbar ist es dem Mossad gelungen, in ihren Spitzen „Maulwürfe“ zu platzieren oder anzuwerben. „Die Ermordung einer so hochgestellten Person wie Mabhuh hat die Alarmglocken bei Hamas klingeln lassen“, sagte ein Hamas-Offizieller im Gazastreifen. Die Suche nach dem Verräter in den eigenen Reihen absorbiert die wichtigsten Kräfte und führt dazu, dass Hamas und Hisbollah seit zwei Jahren praktisch unfähig sind, große Schläge gegen Israel auszuführen. Die Liquidierung Mabhuhs hat demnach, wie seinerzeit die Exekution Maghanijas, zu einer vorläufigen Lageberuhigung geführt – allen Racheschwüren zum Trotz.

Hamas und die Palästinenserbehörde Fatah von Präsident Abbas schieben sich gegenseitig eine Mitschuld an der Ermordung Mabhuhs zu. Bei den in Syrien verhafteten Palästinensern sowie den zwei, die Jordanien bereits an Dubai ausgeliefert hat, handelt es sich laut Fatah um Offiziere der Hamas-Polizei. Hamas behauptet, sie stammten aus dem von der Fatah kontrollierten Westjordanland.

Die israelischen Medien sorgen sich indes um die politischen Auswirkungen der Aktion. Die großen Zeitungen titelten: „Diplomatische Krise“ und „Diplomatische Verwicklungen“, womit insbesondere die Beziehungen zu Großbritannien gemeint sind. Am Donnerstag wurden die Botschafter in London und Dublin vorgeladen. Doch zur Mittagszeit gab der britische Sender BBC Entwarnung: Der israelische Botschafter sei nicht vor-, sondern lediglich eingeladen worden. Mit anderen Worten: Er werde nicht abgekanzelt, sondern um Auskunft gebeten. Es gehe London nur darum, sich zu informieren und von Israel Garantien zu erhalten, dass bei künftigen Geheimdienstaktionen keine britischen Pässe verwendet würden. Israels Botschafter in London, Ron Posser, blieb nach der Begegnung wortkarg. Er habe dem britischen Diplomaten „keine zusätzlichen Informationen“ geben können, sagte er.

In Großbritannien haben die Morde deutlich mehr Empörung ausgelöst als in Deutschland, wo auf eine Einbestellung des Botschafters verzichtet wurde. Nicht, weil mehr gefälschte Pässe im Spiel waren – sechs britische Pässe und nur ein deutscher. Man muss auch historisch weniger Rücksichten nehmen und die Beziehungen sind ohnehin angespannt, seit propalästinensische Gruppen einen Haftbefehl gegen die frühere israelische Außenministerin Zipi Livni beantragt und ihre Reise nach London verhindert hatten. Hinter den Kulissen operieren die Briten aber vorsichtig. „Ein britischer Pass ist ein wichtiges Dokument und muss mit Sorgfalt behandelt werden“, sagte Premier Gordon Brown. Er ordnete zunächst eine Untersuchung durch die neue Agentur für organisiertes Verbrechen, Soca, an, eine Art britisches FBI. Das ist eine bewährte Methode, etwas auf die lange Bank zu schieben. Außenminister David Miliband will am Montag in Brüssel mit dem israelischen Außenminister Avigdor Lieberman über den Vorfall sprechen. Äußern will er sich erst nach Abschluss der Untersuchung. Oppositionssprecher William Hague, der nach der kommenden Wahl Außenminister einer Tory-Regierung werden will, warnte, er werde die Sache nicht aus den Augen lassen. Doch London will auch die Zusammenarbeit mit Israel nicht gefährden.

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