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SPD-Chef Martin Schulz am Montag vor einem Treffen der Parteispitzen von CDU, CSU und SPD in die CDU-Bundesgeschäftsstelle.

© dpa/ Gregor Fischer

Nach dem SPD-Parteitag: Schulz geht geschwächt in die Verhandlungen mit der Union

Was wird aus SPD-Chef Martin Schulz? Nach dem Sonderparteitag ist diese Frage offener denn je. Nun fordern Parteifreunde seinen Verzicht auf ein Ministeramt.

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Wohin zieht es Martin Schulz? Ob der SPD-Vorsitzende nicht Außenminister werden wolle, falls es denn klappen sollte mit der Neuauflage der großen Koalition, wollte ARD-Talkmasterin Anne Will am Sonntagabend von dem SPD-Politiker wissen. Der angeschlagen wirkende Gast, der wenige Stunden vorher nur mit Hängen und Würgen die Abstimmung über die Einleitung von Koalitionsverhandlungen überstanden hatte, wich aus: Union und SPD hätten sich verständigt, dass sie Personalentscheidungen erst ganz am Ende ihrer Verhandlungen treffen wollten, erklärte er.

Was wird aus Martin Schulz? Nach dem Sonderparteitag von Bonn ist diese Frage offener denn je. Bislang beschäftigte die Debatte über die Stärken und Schwächen des Mannes an der Spitze der ältesten deutschen Partei vor allem Mitglieder der Parteiführung und der Bundestagsfraktion der Sozialdemokraten. Doch weil eine stabile Regierung auch von der Überzeugungsleistung des Vorsitzenden abhängt, steht er in diesen Tagen auch außerhalb seiner Partei unter besonderer Beobachtung.

Viele fanden seine Rede uninspiriert

Das Urteil über seinen Parteitagsauftritt fiel nicht gut aus. Die 600 Delegierten spendeten nur kurzen Applaus für seine eher uninspirierte Ansprache. „Das war die schlechteste Rede eines Parteivorsitzenden, die ich je gehört habe“, sagte ein erfahrener Fraktionär. Es waren drei Frauen, die an diesem Tag verhindern mussten, dass die Sache schiefging: neben den beiden Ministerpräsidentinnen Malu Dreyer (Rheinland-Pfalz) und Manuela Schwesig (Mecklenburg-Vorpommern) vor allem Fraktionschefin Andrea Nahles.

Schon auf dem Parteitag Anfang Dezember hatte Nahles im Vergleich zu Schulz die kämpferischere und wirkungsmächtigere Rede gehalten und damit ihren Machtanspruch untermauert. Auf dem Treffen in Bonn aber war die Diskrepanz beider Auftritte noch augenfälliger. Nun reden viele in der SPD darüber, dass Nahles zur eigentlichen Führungsfigur herangewachsen sei, das Wort von der „heimlichen Parteichefin“ fällt im Gespräch mit Sozialdemokraten immer wieder.

Ein Parteichef ohne Autorität

Doch es gibt wenig Zweifel daran, dass Schulz zumindest so lange Vorsitzender bleiben wird, bis der Mitgliederentscheid gewonnen ist und eine neue Regierung steht. Gemeinsam mit Nahles leitet er die Koalitionsverhandlungen für die SPD. Allerdings ist er ein Parteichef ohne Autorität. Schon vor Wochen hatte im Willy-Brandt-Haus das Wort von der „begleiteten Parteiführung“ die Runde gemacht. Gemeint war damit, dass die Mitglieder der engeren Parteiführung Schulz auf die Finger sehen, dass er umgekehrt jeden seiner Schritte eng mit den Gremien abstimmen muss.

Kritik am Schlingerkurs der Parteiführung

In der Debatte der Fraktion über den Verlauf des Parteitags kritisierten am Montag mehrere Abgeordnete Schulz offen. Das berichten Teilnehmer. Beklagt wurde der Schlingerkurs der Parteiführung seit der Bundestagswahl und die mangelnde Führungskraft des Vorsitzenden. Der musste sich außerdem anhören, er hätte bei seinem Auftritt in Bonn mehr Empathie und Emotionalität zeigen sollen. Schulz warb um Verständnis: Er habe mit einer betont sachlichen Rede die überzeugen wollen, die der Groko ablehnend gegenüberständen. Außerdem sei er krank gewesen. Am Ende der Fraktionssitzung gab es Applaus für den Vorsitzenden.

Für Schulz geht es nun nicht nur um die Rettung der SPD, es geht auch um die Rettung seiner eigenen politischen Zukunft. Noch nach der Bundestagswahl hatte er einen Eintritt in ein Kabinett Merkel kategorisch ausgeschlossen – eine Festlegung, die er nach dem Scheitern von Jamaika nicht mehr wiederholt. Schon im Vorfeld des Parteitages war er aus den Landesverbänden NRW und Hessen bedrängt worden, auf ein Ministeramt zu verzichten. Damit könne er glaubwürdiger für die große Koalition werben, weil er zeige, dass er es ernst meine mit der Erneuerung der Partei.

Öffentliche Diskussion hat begonnen

Was bislang eine interne Auseinandersetzung war, wird nun öffentlich ausgetragen: Der Bochumer Bundestagsabgeordnete Axel Schäfer wurde im WDR gefragt, ob Schulz ins Kabinett gehen solle. Seine Antwort: nein. Auch der baden-württembergische Vizeparteichef Frederick Brütting forderte: „Wir brauchen einen Parteivorsitzenden, der nicht Mitglied der Regierung ist.“ Womöglich hat die Debatte über Schulz gerade erst begonnen.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Textes war auch die niedersächsischen SPD-Bundestagsabgeordneten Daniela De Ridder und Siemtje Möller als eine Kritikerinnen von Martin Schulz angeführt. Die Büros von Frau De Ridder und Frau Möller legen aber Wert auf die Feststellung, dass sie keine Kritik an Schulz geübt haben.

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