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Debatte um Folter. Häftlinge im Camp X-Ray auf dem US-Marinestützpunkt Guantanamo Bay auf Kuba. Das Foto wurde 2002 von der US-Armee herausgegeben.

© picture alliance / dpa

Nach dem Senatsbericht zu CIA-Folter: Kampf um die Deutung

Der Bericht des US-Senats zu CIA-Folterungen spaltet die Vereinigten Staaten. Verantwortliche von damals wie der damalige Vizepräsident Dick Cheney spielen ihn herunter. Andere fordern dagegen weitreichende Konsequenzen.

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Waterboarding, Schlafentzug, leichte Schläge ins Gesicht, „rektale Flüssigkeitszufuhr“, vorgetäuschte Exekution, tagelang in einem geschlossenen Sarg stecken, tagelang mit nach oben gestreckten Armen an der Wand stehen, Kälteschockduschen, Nervenqual mit Insekten – und es gab keine Folter? Die US-Geheimdienstgemeinde wappnet sich zum Gegenschlag gegen die Enthüllungen des CIA-Folterberichts. Und die Mentorin der Senats-Enthüllungen, die demokratische Senatorin Dianne Feinstein, keilt mit ungewohnter Dynamik zurück. Die Vereinigten Staaten fechten einen Kulturkampf.

Auch 13 Jahre nach dem 11. September 2001 bevorzugt CIA-Chef John Brennan den Begriff „enhanced interrogation techniques“, verbesserte oder vielleicht sollte man sagen „schlagkräftigere“ Verhörmethoden. Zwar sei manches „entsetzlich gewesen“, aber doch auch „nützlich“, kommentiert er im Kongress den CIA-Folterbericht des US-Senats. Sein Vorgänger, Michael Hayden, philosophiert auf CNN über die medizinische Notwendigkeit der „rektalen Flüssigkeitszufuhr“, auch wenn er natürlich kein Mediziner sei. Der Bericht sei „voller Scheiße“, meint auf Fox der frühere Vize-Präsident Dick Cheney. Weitere Diffamierungen sollen folgen.

Auf Twitter entfesselt Dianne Feinstein einen Sturm gegen die Verharmlosungen

Auf Twitter entfesselte Feinstein nun einen Sturm gegen die Verharmlosungen. „CIA hatte Info vor Folterung“, schreibt sie im ersten Tweet. „Jeder Fakt beruht auf CIA-Material“, heißt es sechs Minuten später. Die Chefin des mächtigen Geheimdienstausschusses ist eigentlich nicht als Kritikerin der Dienste bekannt. Doch angesichts der Aussagen von Cheney und Co. schreibt sie sich dann richtig warm. „CIA; FBI, DIA, DOD, NGA, State Det, DHA und viele andere Behörden helfen, uns zu schützen. Folter tut es nicht“, „Studie muss gelesen werden. Verfügbar online.“ Es folgt der Link. Innerhalb einer Stunde setzt die ganz offenkundig wütende Senatorin 25 Tweets ab.

Ihr Senatskollege Mark Udall fordert inzwischen politische Konsequenzen. CIA-Direktor Brennan müsse entlassen werden, sagte er in einer Rede im Senat. Dessen Geheimdienst habe sowohl gegenüber den Aufsichtseinrichtungen als auch gegenüber der Öffentlichkeit gelogen. Präsident Barack Obama müsse aufhören, die Aktivitäten der CIA zu decken. Brennan habe „das volle Vertrauen des Präsidenten“, hieß es dazu nur schlicht von der Präsidentenberaterin Valerie Jarret.

In Europa wurden unterdessen Forderungen laut, nicht nur US-Verantwortliche, sondern auch Helfer und Mitwisser der CIA-Praktiken aus EU-Staaten juristisch zu verfolgen. Die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im EU-Parlament, Barbara Lochbihler (Grüne), sagte dem Deutschlandfunk, US-Geheimgefängnisse habe es auch in Polen, Rumänien und Litauen gegeben, und Staaten wie Schweden, Italien und Großbritannien hätten bei der Verschleppung von Verdächtigen mitgeholfen. Die Beteiligten müssten zur Verantwortung gezogen werden. „Das sind alles Länder, die eine funktionierende Justiz haben“, fügte sie hinzu. Wenn nationale Gerichte versagten, müsse „man schauen, ob man andere Gerichte anrufen kann“.

Zuvor hatten der UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte, Ben Emmerson, und Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) eine strafrechtliche Verfolgung der Folter-Agenten und ihrer Befehlshaber verlangt. „Die USA sind durch internationale Gesetze verpflichtet, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen“, sagte Emmerson. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann erklärte, er erwarte von der Bundesregierung, dass sie sich für die Strafverfolgung der Verantwortlichen einsetze.

In Deutschland scheiterten bislang Versuche, die Justiz gegen Verantwortliche zu mobilisieren

In Deutschland scheiterten bislang Versuche, mit Strafanzeigen gegen Ex-US- Präsident George W. Bush und andere US-Verantwortliche deutsche Strafverfolgungsbehörden zum Handeln aufzufordern. Nach dem sogenannten Weltrechtsprinzip sind laut dem Völkerstrafgesetzbuch Kriegsverbrechen und Völkermord auch dann in Deutschland strafbar, wenn kein Deutscher als Täter oder Opfer beteiligt war. In zwei Fällen lehnte der Generalbundesanwalt die Eröffnung von Ermittlungsverfahren mit dem Argument ab, dass die USA selbst für eine strafrechtliche Aufarbeitung sorgen würden.

Der Rechtswissenschaftler Denis Basak von der Universität Frankfurt kommt in einem aktuellen Beitrag für „Legal Tribune Online“ zu dem Urteil, ein wichtiges Argument der Bundesanwaltschaft für die Ablehnung eines Verfahrens falle nun weg, weil die US-Regierung klar gestellt habe, dass es keine Strafverfolgung der Täter geben werde. Allerdings werde die deutsche Justiz wohl weiterhin Rücksicht auf die Staatsräson nehmen. Die Schlussfolgerung des Rechtsexperten lautet deshalb: „Eine justizielle Aufarbeitung der gezielt von Regierung, Geheimdiensten und dem Militär angeordneten und ebenso verbreitet wie erfolglos eingesetzten Folter wird es nicht geben.“

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