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Donald Trump, Präsidentschaftsbewerber.

© REUTERS

Nach dem Sieg beim Super Tuesday: Die Stärken des Donald Trump und die Schwächen der anderen

Die Europäer und viele Amerikaner wollen es nicht wahrhaben. Donald Trump flößt seinen Wählern Vertrauen ein und ist damit ein ernsthafter Anwärter auf das Weiße Haus. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Es war einmal ein amerikanischer Milliardär, der auszog, Präsident zu werden. Weil er eine große Klappe hatte und Dinge sagte, die andere sich nicht auszusprechen trauten, war er bei den einfachen Leuten beliebt. Die Mächtigen verlachten ihn: So einer kann doch nicht Präsident werden! Der verstößt doch gegen alle unsere Regeln. Donald Trump aber ließ sich nicht verdrießen. Er spürte, dass viele Bürger den Respekt vor den Regeln längst verloren haben. So ging er seinen Weg unerschrocken weiter. Die einfachen Leute erkannten zwar, dass er oft schwindelte, verziehen ihm das aber, weil sie sich von den Mächtigen weit mehr belogen und um die Früchte ihrer Arbeit betrogen fühlten. Eines Tags wachten die Bürger auf und rieben sich verwundert die Augen: Der kann das ja wirklich schaffen. Jeder neue Erfolg machte denen, die noch zögerten, Mut: Vielleicht sind wir wirklich die schweigende Mehrheit. Etwas Besseres als den ökonomischen Tod können wir mit ihm überall finden …

Geht das Märchen unaufhaltsam weiter, bis ins Weiße Haus? Ist der gezielte Verstoß gegen die „Political Correctness“ das Erfolgsrezept 2016, im Wahljahr des Zorns, zumal nach den Obama-Jahren mit ihrem „PC“-Anspruch? Verkörpert Trump gar die Rückkehr der Dominanz des Weißen Mannes in der Politik? Auch wenn der Anteil der Minderheiten in den USA dynamisch wächst, bilden die Weißen immer noch die Mehrheit.

Nach Abstimmungen in einem Drittel der US-Bundesstaaten dominiert Trump das republikanische Bewerberfeld. Er hat elf der 16 Vorwahlen gewonnen und mehr Delegierte für den Nominierungsparteitag als seine Konkurrenten zusammengenommen. Er hat, allem begründeten Spott über seine Qualifikationen und seine irritierende Rhetorik zum Trotz, die größten Chancen auf die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner.

Europäer wollen es nicht wahrhaben

Trump als ernst zu nehmender Anwärter aufs Weiße Haus? Das mögen die meisten Europäer – aber auch viele Amerikaner – noch immer nicht wahrhaben. Wobei es sich die Europäer einfacher machen. Sie distanzieren sich von der verstörenden Entwicklung, indem sie seinen Aufstieg zu einem typisch amerikanischen Phänomen erklären, das in Europa angeblich nicht möglich sei. Diese Deutung ist zu einfach. Auch in Europa haben rechtspopulistische Demagogen Erfolg mit ihren simplen Antworten auf Kriege und Krisen, den Globalisierungsdruck und die Abstiegsängste, teils mit noch besseren Umfrage- und Wahlergebnissen als Trump, zum Beispiel in Frankreich, Ungarn und Polen. Selbst in Schweden führen sie in Umfragen. Trump ist die amerikanische Variante dieses Phänomens. Was macht seinen Reiz aus?

Seine Stärke spiegelt die Schwächen des traditionellen Politikpersonals. Er hat eine Gabe, sie bloßzulegen. Er deckt auf, wie wenig die Republikanische Partei ihren Wählern anzubieten hat, ihre programmatische Leere. Mit seiner bombastischen Persönlichkeit füllt er die Lücken, die andere lassen. Sein Reichtum und Erfolg als Unternehmer nötigen den meisten US-Bürgern nicht nur Respekt ab – er flößt ihnen Vertrauen ein. Da liegt der Unterschied zu Europa, wo viele der Privatwirtschaft misstrauen.

Mit seinem Versprechen, den ökonomischen Niedergang und die politischen Ungewissheiten zu beenden, erreicht er eine breitere Koalition als seine Rivalen im rechten Lager: Weiße ohne College-Abschluss, Weiße mit unterdurchschnittlichem Verdienst und generell ältere weiße Männer. Sein Appeal wirkt sogar auf Stammwähler, die in anderen Jahren einen christlichen oder ideologisch verlässlichen Konservativen gewählt hätten.

Trump hat freilich noch nicht gezeigt, dass er eine so breite Koalition auch in der Gesamtwählerschaft gewinnen kann. Angesichts seiner beleidigenden Rundumschläge gegen Frauen und Latinos: Warum sollten sie, die das verlässliche Fundament deutlicher Obama-Siege 2008 und 2012 bildeten, in diesem Herbst Trump statt Hillary Clinton wählen?

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