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Polizisten führen bei einer Razzia gegen Islamisten am 04.02.2016 in Berlin einen mit einem Tuch verdeckten Verdächtigen ab.

© dpa

Nach dem vereitelten Anschlag: Mit Rationalität gegen die lärmenden Radikalen

Die Angst vor Anschlägen und die Flüchtlinge, die kommen – von den Vereinfachern wie der AfD wird alles in Zusammenhang gebracht. Die Regierung aber muss souverän bleiben. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Wenn das kein Erfolg ist! Polizei und Verfassungsschutz verhindern einen Anschlag von Islamisten. Verhindern, dass Menschen am Checkpoint Charlie Opfer der Irregeleiteten werden. Der aktuelle Erfolg zeigt: Wo ihre Institutionen funktionieren, abseits vom aktuellen Gelärme, kann Demokratie profitieren.

Weil aber jedes demokratische System dann labil wird, wenn die Bürger nicht mehr an Problemlösungen glauben, ist jeder Erfolg derer, die in diesem System Verantwortung tragen, von Bedeutung. Er darf, ja sollte dann auch gelobt werden. Denn andererseits lässt sich kritisch feststellen: Auf der politisch-gesellschaftlichen Ebene geht es zunehmend lauter, aggressiver und radikaler zu – in der Tendenz demokratiegefährdend.

Lautstärke ist weniger das Problem. Rhetorische Leidenschaft kann sich so äußern. Sorgen bereiten Aggressivität und Radikalität. Beides ist nicht mehr begrenzt auf die, die sich als Alternative für Deutschland ausgeben. Die AfD in ihrer Art, Themen aufzuladen bis zur Groteske, treibt die anderen Parteien auf bisher zurecht gemiedenes Terrain.

Merkel, Altmaier, de Maizière, Gabriel, Nahles, immer mehr der wichtigen Etablierten reden inzwischen in einer Weise, die sie sich vorher womöglich sogar verbeten hätten. Jetzt geht es in ihren Reden um Sanktionen, Kürzungen, Drohungen, kurz: um alles andere als die bisher hochgehaltene Willkommenskultur. Es wird Platz gemacht für eine Politik und eine Rhetorik der Abschreckung, bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Der verhinderte Anschlag sollte keine bieten.

Neue Tonlage

Generell lässt sich sagen: Noch vor Kurzem hätte Merkel als Kanzlerin der Herzen nie dermaßen direkt, geradezu frontal den (zumeist muslimischen) Flüchtlingen gesagt, dass sie hier nur vorübergehend Schutz genießen. Heute sagt Innenminister de Maizière in dem von Krieg, Flucht und Arbeitslosigkeit gebeutelten Afghanistan ungerührt: Bleibt in eurer Heimat! Alles das mit Billigung, ja Unterstützung der Sozialdemokraten.

Die gesamte Bundesregierung hat eine neue Tonlage, eine schärfere. Sie klingt, als müsse sich da einer gegen etwas zur Wehr setzen, das er nicht selbst beeinflussen kann. Radikalismen fallen aber umso mehr auf, wenn sie von denen kommen, die von Amts wegen mit der Problemlösung betraut sind. Das schafft eben kein Gefühl von Sicherheit. Und kein Zutrauen in Lösungskompetenz.

Die Angst vor Anschlägen und die Menschen, die kommen – von den gnadenlosen Vereinfachern wird alles mit allem in Zusammenhang gebracht. Einwanderung, Zuwanderung, Flucht, Asyl, Islam, Islamismus: Befördert wird ein Mangel an Differenzierung im täglichen Leben, weil bei Übergriffen einiges tatsächlich schwer auseinanderzuhalten ist. Geplanter Terror von Islamisten wird dann schnell dem Flüchtlingsthema zugeschlagen. In Radikalität und Aggressivität liegt gerade deswegen keine erfolgversprechende Antwort. Schlag nach bei Konfuzius: In einer kultivierten Welt blühen Taten, in einer unkultivierten Welt Worte.

Die AfD kann immer noch radikaler sein. Aufrechte Haltung steht dem entgegen. Die Koalition sollte sich noch einmal straffen, Menschenverachtung und Neonationalismus mit demonstrativer Zugewandtheit beantworten. Sie kann souverän weiterarbeiten, darf sich von keinem Gelärme anstecken lassen. Der Erfolg gibt ihr doch recht.

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