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Nach dem Wulff-Rücktritt: Gauck ist Volkes Liebling

Der Bundespräsident wird von der Bundesversammlung gewählt. Würde das Staatsoberhaupt in einer Direktwahl vom Volk bestimmt, würde alles auf Joachim Gauck zulaufen. Das jedenfalls belegen die Umfragen.

Von Matthias Schlegel

Würde der Bundespräsident direkt gewählt, könnten sich Koalition und Opposition die quälende Kandidatensuche sparen. Denn das Volk hat sein Votum bereits abgegeben. Und das scheint ziemlich klar zugunsten des 2010 gegen Christian Wulff in drei Wahlgängen unterlegenen Joachim Gauck auszufallen. Für „Bild am Sonntag“ ermittelte das Umfrageinstitut Emnid, dass 54 Prozent der Befragten für den früheren evangelischen Pastor aus Rostock und späteren Stasiakten-Verwalter plädieren.

Weil die Umfrage aber bereits am Freitag gestartet wurde, waren bei den Mitbewerbern auch noch einige von denen vertreten, die entweder inzwischen selbst abgewinkt haben oder zwischen Koalition und Opposition nicht vermittelbar sind. So folgten auf Gauck mit je 34 Prozent Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) und SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) kommt auf 32, Ex-Umweltminister Klaus Töpfer (CDU) auf 28 Prozent.

Der 72-jährige Gauck ist auch Favorit bei einer Forsa- Umfrage für RTL Aktuell. Dort sagten 46 Prozent, sie hielten ihn am geeignetsten für das Amt. Von der Leyen kommt dort auf 20, de Maizière auf 19, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ebenso wie Töpfer auf 18 Prozent. Und beim ARD-Deutschlandtrend hatte Gauck am Freitag ebenfalls weit vor allen anderen 43 Prozent erhalten. Wegen des frühen Zeitpunktes hatten alle Umfragen den erst am Samstag ins Gespräch gebrachten Berliner Altbischof Wolfgang Huber nicht auf der Liste.

Zwei Schlüsse lassen sich aus den Umfragen ziehen: Ein Kandidat, der – wie Gauck – von außerhalb des Politikbetriebs kommt, scheint den Bürgern am ehesten sympathisch zu sein. In der Emnid-Umfrage ist eigens nach diesem Kriterium gefragt worden – und nahezu vier Fünftel der Befragten plädierten dafür, einen nicht aktiven Politiker zu benennen. Zum Zweiten weisen die Umfragen selbst auf die Fragwürdigkeit solcher Umfragen hin: Nicht die objektive Eignung der jeweiligen Bewerber ist entscheidend, sondern letztlich deren Bekanntheitsgrad. In allen Umfragen landete der in Koalitionskreisen bereits am Freitag hoch gehandelte Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, weit abgeschlagen am Ende der Skala. Voßkuhle ist erst seit Mai 2010 Präsident des höchsten Gerichts und hat noch nicht viel öffentliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen können. Er hatte bereits am Samstag eine Präsidentschaftskandidatur abgelehnt.

Zwar melden sich jetzt wieder verstärkt Befürworter einer Direktwahl des Bundespräsidenten zu Wort. Das aber hat wohl weniger damit zu tun, dass man meint, das Volk habe in dieser Frage die größere Kompetenz. Vielmehr wurzelt es in dem Unmut über das von politischem Taktieren dominierte Findungsprozedere, wie man es derzeit verfolgen kann.

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