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Nach den Protesten: Iranische Justiz plant Schauprozesse

Die iranischen Behörden haben inzwischen zwar 140 Demonstranten aus dem berüchtigten Evin-Gefängnis entlassen. Doch am Sonnabend beginnen die ersten Schauprozesse gegen Regimegegner. Ein angesehener Geistlicher erhebt schwere Vorwürfe gegen die Regierung.

Die iranische Justiz will am Samstag mit einer ersten Serie von Schauprozessen gegen rund 20 inhaftierte Demonstranten beginnen. Wie die amtliche Nachrichtenagentur Irna berichtete, müssten sich die Angeklagten unter anderem wegen Bombenanschlägen, des Besitzes von Schusswaffen, Angriffen auf Basij-Milizen sowie die Weitergabe von Bildern "an die Medien des Feindes" verantworten. Damit sind westliche Zeitungen und Zeitschriften gemeint. Zwei der Beschuldigten sind Fotografen, andere gehören der Religionsgemeinschaft der Bahai an.

Die "Anstifter" der Proteste gegen die umstrittene Präsidentschaftswahl vom 12. Juni würden jedoch vorerst nicht vor Gericht gestellt, hieß es. Am Dienstag hatten die iranischen Behörden 140 Demonstranten aus dem berüchtigten Evin-Gefängnis freigelassen, bis zum Freitag soll angeblich eine weitere "substantielle" Zahl folgen, darunter auch der ehemalige Berater von Ex-Präsident Mohammed Chatami, Saeed Hajjarian. Bislang sind angeblich noch 200 Oppositionelle hinter Gittern, darunter nach Angaben eines Abgeordneten, der die Häftlinge besuchte, auch 50 "Anstifter" der Proteste.

Der 55-jährige Journalist und Universitätsdozent Hajjarian ist seit dem Jahr 2000 durch ein Attentat schwer behindert und sitzt im Rollstuhl. Der Anschlag auf ihn stand im Zusammenhang mit seinen damaligen Bemühungen, im iranischen Geheimdienst-Ministerium die Hintermänner einer mysteriösen Mordserie auf iranische Intellektuelle und Schriftsteller zu finden. Am Dienstag hatte Hajjarians Frau ihn im Gefängnis besucht und berichtet, ihr Mann sein sehr geschwächt, habe Probleme beim Atmen und sei stundenlang der prallen Sonne ausgesetzt worden, um ihn unter Druck zu setzen.

"Jeden Tag erhalten Familien Leichen von Angehörigen zurück"

Die Frauenrechtlerin Shadi Sadr kam am Mittwoch gegen eine Kaution von umgerechnet 40.000 Euro wieder auf freien Fuß. Sie war vor knapp zwei Wochen auf dem Weg zum Freitagsgebet von Hashemi Rafsandschani von Zivilpolizisten in ein Auto gezerrt und verschleppt worden. Die 34-Jährige kämpft vor allem gegen Praxis im Iran, Frauen nach einem Ehebruch zu Tode zu steinigen. Der iranische Justizchef Ayatollah Mahmoud Hashemi Shahrudi hatte am Montag seine Behörden angewiesen, über das Schicksal aller Demonstranten bis Ende der Woche zu entscheiden. Parallel dazu hatte Präsident Mahmud Ahmadinedschad Shahrudi aufgefordert, alle Gefangenen, gegen die nichts vorliege, bis zum 7. August zu entlassen – dem Geburtstag des zwölften Imam Mahdi, an dessen baldige messianische Rückkehr der Präsident glaubt.

Unterdessen übte der angesehene Großayatollah Hossein Ali Montazeri zum dritten Mal innerhalb weniger Wochen scharfe Kritik an dem Vorgehen des Regimes. "Die Menschen hinter Gitter werden durch Folter gezwungen, falsche Geständnisse abzulegen – und jeden Tag erhält eine andere Familie die Leiche eines Angehörigen zurück", schrieb der 87-jährige Geistliche auf seiner Website. "Doch was haben sie sich zuschulden kommen lassen, außer friedlich gegen den Wahlbetrug zu protestieren?"

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