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SPD-Chef Sigmar Gabriel (links) und Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller

© AFP/Odd Andersen

Nach der Berlin-Wahl: Gabriels Machtperspektive hängt an Müllers Erfolg

Rot-Rot-Grün in Berlin ist das Experiment für den Bund. Wenn Michael Müller das nicht schafft, ist das Dreierbündnis diskreditiert. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Und jetzt beginnt große Politik. Ja doch, denn nur die bringt Berlin heraus aus den Trümmern, in denen die Hoffnungen der Etablierten liegen. Im Hinblick auf die nächste Wahl, die zum Bundestag, gibt es keine Wahl: Die vormalige politische Klasse ist herausgefordert, alles zu geben, alles zu zeigen, vor allem Format.

Man möchte nicht in der Haut von Michael Müller stecken. Der Regierende, abgestraft und reduziert wie vor ihm noch niemand, kommt zurück ins Amt und muss in Rekordzeit wachsen. Die Koalition, die hier allen als die wahrscheinlichste erscheint, wird nämlich so schwierig, wie es eine ins Mark getroffene SPD eigentlich gar nicht vertragen kann. Ihr Ergebnis ist so mickrig, dass sie nicht mit der natürlichen Autorität eines Wahlsiegers in das Bündnis hineingeht.

Stattdessen bekommt sie es mit zwei Partnern zu tun, die je für sich hohe Ansprüche schon vor dem Wahlausgang an künftiges Regieren formuliert haben. Und von denen sich einer, die Grünen, die gerupfte dritte Kraft in diesem Reigen, schon unangenehm aufplustern; unangenehm wirkt das deshalb, weil die Zahl der Wählerstimmen nun so gar nicht der Forschheit bestimmender Figuren an der Spitze entspricht. Dass das Regieren ohne Grüne schwierig würde, wie beispielsweise Ramona Pop sagt, ist umgekehrt genauso gültig: Mit ihnen wird es nicht einfacher.

Stein der Weisen

Dabei müssen die erstarkten Linken, aber vor allem die Grünen erst noch zeigen, dass sie regierungsfähiger als die Schwarzen sind. Erfahrungen im Administrieren haben nur die einen, die anderen nicht wirklich. Den Grünen wie den Linken steht aber in jedem Fall auch noch etwas bevor: eine Selbstvergewisserung, die zusätzlich dadurch erschwert wird, dass sie im laufenden Betrieb und möglichst geräuscharm stattfinden muss. Dennoch muss es klappen, und zwar von Anfang an. Müller und diese Koalition hätten keine hundert Tage, Pardon wird weder von den genervten Wählern noch von den strapazierten Parteien gegeben.

Schon gar nicht, weil Rot-Rot-Grün in Berlin das Experiment für den Bund ist. Es klingt ironisch, ist aber schlicht wahr: Sigmar Gabriels Machtperspektive als SPD-Vorsitzender hängt von der Performance und Professionalität des „Wahlsiegerchens“ Michael Müller in Berlin ab. Nur wenn der sowohl sich selber als auch die Koalition führen kann, steigen die Chancen. Andernfalls wird es zwei Reaktionen geben: Auf lokaler Ebene wird Müller zur Seite geschoben, auf Bundesebene wird Rot-Rot-Grün diskreditiert nach dem Motto „Die können es nicht“.

Die amtierende Bundeskanzlerin, auch sie in bedrängter Lage, hat mit der Wahl von Berlin in den Angriffsmodus umgeschaltet. Es bleibt Angela Merkel ja auch nichts als die dräuende Warnung vor einer linken Republik und deren Chaos. Erstens eint das ihre Union mit der CSU, zweitens spaltet das die Grünen. Bei denen gibt es eine Menge, die – sowieso eher schwarz – ein ganz anderes Bündnis im Bund lieber sähen.

Magere Erfolge der Müller-Koalition würden Merkel in die Hände spielen. Nur gute Ergebnisse dagegen nutzen der SPD, in der Stadt wie im Bund. Die Bürger müssen zufriedener werden. Darum taugt für Michael Müller als Handlungsmaxime der Satz von Benjamin Franklin, dem Drucker und Staatsmann: „Zufriedenheit ist der Stein der Weisen, der alles in Gold verwandelt, das er berührt.“

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