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Nach der Europawahl: Wie stellen sich die Parteien jetzt auf?

Eine Testwahl soll es nicht gewesen sein, trotzdem ist die Europawahl eine wichtige Station auf dem Weg zur Bundestagswahl. Wie stellen sich die Parteien jetzt auf?

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Union und FDP

Vorsichtig sind sie, die Bürgerlichen am Tag nach der Europawahl – betont vorsichtig. „Es wird uns allen guttun, immer mit den Füßen auf dem Boden zu bleiben“, sagt CDU-Chefin Angela Merkel. „Das war ein schöner Sonntag, aber wir sind noch längst nicht am Ziel“, sagt CSU-Chef Horst Seehofer. „Wir werden auf dem Teppich bleiben“, sagt FDP-Chef Guido Westerwelle.

Die kollektive Demonstration der Bescheidenheit hat einen schlichten Grund. So sehr sich Schwarze und Gelbe über den „sensationell deutlichen“ (Merkel) Abstand freuen, auf den die Wähler die SPD gehalten haben, bieten die eigenen Ergebnisse keinen Anlass zum Triumph. Selbst für Westerwelles Behauptung, dass „die Mitte in Deutschland wächst“, gibt der Wahltag wenig her. Wer die Ergebnisse mit denen von 2004 vergleicht, dem kommt im Gegenteil schnell der Verdacht, dass sich die Mitte vor allem umverteilt: Rund 1,3 Millionen Stimmen hat die CDU verloren, rund 1,3 Millionen hat die FDP gewonnen. Da mögen die Wählerströme im Einzelnen komplizierter verlaufen, das Ergebnis bleibt doch gleich: Für Schwarz-Gelb reicht dies jedenfalls noch nicht.

Merkel ist das womöglich sogar ganz recht. „Ein Trend und noch keine Testwahl“ – mehr mag die CDU-Chefin in den Wahlsonntag nicht hineinlesen. In einem gesellschaftspolitisch aufgeheizten Lagerwahlkampf, das hat sie 2005 bitter lernen müssen, haben SPD und Grüne allemal Vorteile. Polarisierung bringt zudem Applaus bei eingefleischten Anhängern, aber keine Stimmen über dieses Lager hinaus. Dass der CSU-Europaspitzenkandidat Markus Ferber das Sticheln nicht ganz lassen kann und der CDU einen „Schönwetterwahlkampf“ vorhält, kontert Merkel denn auch mit der ironischen Bemerkung, bei ihren Auftritten habe es in der Tat nur in Görlitz geregnet, und mit dem gar nicht ironischen Hinweis: „Mein Kurs, wie ich da rangehe, der wird sich nicht ändern.“ Mein, ich – der nächste, der Bundestagswahlkampf wird Merkels Wahlkampf. Da will sie sich erst recht nicht reinreden lassen.

Dass sie die SPD wenig attackiert habe, habe ja sichtlich nicht geschadet, merkt sie an. Und dass sie etwa bei der Opel-Rettung eher zögerlich vorgegangen ist, rechnet sich die Kanzlerin gar zum Vorteil an: „Ich glaube, wir sind gewählt worden, weil wir uns die Entscheidung nicht leicht gemacht haben.“ Intern hat sie der CDU-Spitze deutlich gemacht, dass sie auch bei künftigen Rettungsaktionen bei ihrer, wie ein Teilnehmer das umschreibt, eher präsidialen Art bleiben werde – und dass sie den neuen Helden aller Prinzipientreuen, den CSU- Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, eng an ihrer Seite halten wolle.

Vergleichsweise noch bescheidener sind sie in München. Dabei hat selbst Horst Seehofer nicht im Ernst daran geglaubt, dass ihn seine erste Wahl als neuer starker Mann der CSU gleich wieder in die Nähe der magischen 50 Prozent bringen würde. Aber Seehofer genießt still. „Rückenwind“ gebe das schon, über den Berg blase die frische Brise die CSU noch nicht. Dahinter steckt die Sorge, dass ein allzu forsches „Wir sind wieder da“ die Wähler, die nach der Landtagswahl zur CSU zurückfinden, sofort wieder vergraulen würde: „Da sagen die Leute dann: Dafür haben wir euch nicht gewählt“, sagt einer aus dem Führungskreis. Auch zeigt eine genauere Betrachtung der bayerischen Ergebnisse, dass die CSU-Anhänger in Franken immer noch übel nehmen, wie erst der Ministerpräsident Günther Beckstein für Seehofer Platz machen musste und dann Seehofer den Unterfranken die Strauß-Tochter Monika Hohlmeier als Europakandidatin aufdrängte. Bei der Bundestagswahl allerdings wird der Kandidat dort Guttenberg heißen. Und von dem wissen sie auch in München, was sie an ihm haben. „Das war unser Schutzschild“, sagt ein Christsozialer.

Die Linke

Die Linke wird an ihrem selbst gesteckten Ziel gemessen, nicht an den 6,1 Prozent, die 2004 auf die PDS entfielen. „Zehn plus x“ hatte Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch als Vorgabe benannt, und ergänzt, dass x „selbstverständlich mehr als null“ sei. Dass es deshalb am Montag im Parteivorstand vor allem um fehlende Geschlossenheit und innerparteiliche Kontroversen ging, schien selbstverständlich. Selbst das „Neue Deutschland“ hatte der Linkspartei, die nur 7,5 Prozent der Stimmen bekam, „eine Schlappe“ bescheinigt. Die dem linken Parteiflügel nahestehende „Junge Welt“ schrieb, die Partei erscheine „seit ungefähr einem Jahr wie gelähmt“.

Mobilisierungsprobleme – dies war bei der Problemanalyse der Nenner, auf den sich alle einigen konnten. „Viele im Land, denen es dreckig geht, haben auch wir nicht erreicht“, sagte die Wortführerin der Kommunistischen Plattform, Sahra Wagenknecht. Austritte einiger Reformer in den vergangenen Wochen haben offenbar die Anhänger verunsichert. „Wenn eine Partei sich streitet, wird sie von den Wählern bestraft“, sagte Parteichef Lothar Bisky, der künftig Politik in Brüssel statt in Berlin macht. Der starke Partei- und Fraktionschef Oskar Lafontaine gab sich am Montag überzeugt, dass die Linke bei der Bundestagswahl bei der Europawahl zweistellig abschneiden wird. „Ich schließe darauf auch Wetten ab.“ Bis zum September würden die Folgen der Finanzkrise für den Bürger „noch stärker sichtbar“, und die Parteien der großen Koalition würden für ihr „katastrophales“ Krisenmanagement vom Wähler abgestraft.

Eine bessere Mobilisierung erreichen will die Partei durch mehr Geschlossenheit – selbst wenn diese nicht „per Dekret“ durchzusetzen ist, wie Bartsch zugab. Absehbar ist, dass zur Bewahrung des Parteifriedens lange überfällige programmatische Klärungen weiter auf die lange Bank geschoben werden. Gregor Gysi, Vorsitzender der Bundestagsfraktion, hatte seine Genossen schon am Sonntagabend auf der Wahlparty in Berlin ermahnt: Der Parteitag Ende Juni, auf dem das Programm für die Bundestagswahl beschlossen werden soll, dürfe „kein ideologischer Parteitag“ werden.

Eine Diskussion über die Rolle Lafontaines gab es im Vorstand nicht. Die einen wollen sie nicht, die anderen halten den richtigen Zeitpunkt dafür nicht gekommen. Lafontaine selbst gab sich angesichts jüngster Streitigkeiten gelassen. Die Linke werde sich nicht zerfleischen. „Der Fleischwolf ist nicht das richtige Instrument für eine politische Betrachtung.“ Kritik an ihm lässt er abprallen. André Bries „Spiegel“-Aufsatz „Der Lafontainismus“ mit teils heftiger Kritik am Vorsitzenden deutete er einfach um. Brie habe ihn doch „als Strategen und Programmatiker gelobt, das ging mir runter wie Öl“.

Die Grünen

Das Problem der Grünen heißt SPD. Ihre Lieblingsverbündete schwächelt weiter. Und so muss die Partei vielleicht doch Ausschau nach Bündnisoptionen halten, die sie auf ihrem letzten Parteitag eigentlich ausgeschlossen hatte. Da kommt es einigen nicht ungelegen, dass die Grünen in Berlin zusammen mit der CDU gestärkt aus der Europawahl hervorgegangen sind. „Wir müssen stärker werden als die FDP, um uns für die Union zur einzigen Alternative zur großen Koalition zu machen“, sagte beispielsweise der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer von den Grünen der „Süddeutschen Zeitung“. Andererseits büßten die Grünen in Hamburg, wo sie mit der CDU koalieren, vier Prozentpunkte ein – gegen den Bundestrend. Winfried Kretschmann, Fraktionschef der Grünen in Baden-Württemberg und seit langem Befürworter der schwarz-grünen Option, warnt aber davor, „daraus strategische Schlüsse zu ziehen“. Wähler seien immer enttäuscht, wenn die eigene Partei regiere und dann Abstriche am Programm machen müsse. Gerade jüngeren grünen Wählern komme es aber nicht mehr auf Lager an, sondern darauf, „wo wir unsere Kernanliegen durchsetzen“.

Darauf setzt auch Tabea Rößner, Grünen-Stadtparlamentarierin in Mainz. Dort hat die Partei bei der Kommunalwahl gerade acht Prozentpunkte zugewonnen. Die CDU schloss sich hier – im Gegensatz zum Hamburger Moorburg-Kraftwerk – dem Widerstand gegen ein Kohlekraftwerk an. In den vielen Gesprächen, die man jetzt führe, werde man auch schauen, ob das Wahltaktik war oder „eine Herzensangelegenheit“, sagt Rößner. Auch für sie ist die entscheidende Frage: „Wo bekommen wir möglichst viel durch?“ Auf jeden Fall sei Schwarz-Grün kommunal leichter durchsetzbar als in Bund und Land. Für Jürgen Trittin, Bundestags-Spitzenkandidat der Grünen, ist klar: „Wir stehen als Helfershelfer in Form einer Jamaika-Koalition nicht zur Verfügung.“

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