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Politik: Nach der Flut ist vor dem Krach

Das Hochwasser zeigt: Die Flüsse brauchen mehr Platz. Doch es fällt schwer, Häuser und Ackerflächen aufzugeben

Von Dagmar Dehmer

Um jeden Quadratmeter wird gekämpft. Das weiß Georg Rast vom WWF-Aueninstitut aus Erfahrung. Zwar ist der Jammer groß, wenn ein verheerendes Hochwasser Millionenschäden entlang der Flüsse anrichtet. Doch wenn die Schäden bezahlt sind, machen die meisten weiter wie vorher. Nach dem Oder-Hochwasser 1997 sei keine einzige neue Überschwemmungsfläche gewonnen worden, kritisiert Rast. Aber auch am Rhein, der als gelungenes Beispiel für Hochwasserschutz gilt, haben zähe Auseinandersetzungen stattgefunden, bis sich etwas bewegt hat. Allerdings weigere sich Hessen bis heute, Flächen zur Verfügung zu stellen.

Südlich von Breisach wurde jahrelang um einen 90 Meter breiten Streifen gestritten, der zur Überflutungsfläche werden sollte. Plötzlich standen sich Naturschützer unversöhnlich gegenüber. Hier der WWF, der für neue Auenlandschaften warb, dort Landschaftsschützer, die um „unvergleichliche Trockenbiotope“ kämpften. Weitaus häufiger sind jedoch Nutzungskonflikte, mit denen sich Rast auch an der Elbe ständig herumschlagen muss: nämlich die mit der Landwirtschaft. Zwar verbietet das neue Naturschutzgesetz einen Ackerbau bis direkt an die Flusskante. Doch bis zum Deich werden die Flächen von den Bauern auch in Sachsen-Anhalt genutzt. Und meist sehen die Oberlieger eines Flusses überhaupt nicht ein, warum sie Polder zulassen sollen, damit die Unterlieger nicht absaufen.

Rast sieht für die Zeit nach der großen Elbe-Flut genau diese klassischen Konflikte aufziehen. Denn nach seiner Einschätzung müssen genau dort, wo die meisten Deiche gebrochen sind, also oberhalb von Dessau, neue Überflutungsflächen geschaffen werden. „Die Politiker werden das nur schwer akzeptieren“, weiß Rast. Für Hochwasserschutz sind Länder und Gemeinden zuständig. Meist kennen die Genehmigungsbehörden diejenigen, die in gefährlicher Flussnähe bauen wollen, und tun sich schwer damit, es ihnen zu verbieten.

Allerdings sei die Situation mit dem Rhein deshalb nicht vergleichbar, „weil die Elbe in einem viel besseren Zustand ist“, sagt Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne). Die Elbe sei einer der wenigen noch relativ unverbauten Flüsse Europas. „Aus Gründen des vorsorgenden Hochwasserschutzes soll das auch so bleiben“, sagte Trittin dem Tagesspiegel. Aber auch an der Elbe müssten Deiche zurückverlegt und alte Überschwemmungsgebiete wieder freigegeben werden. „Dazu bestehen an der Elbe aber wesentlich mehr und bessere Möglichkeiten als am Rhein.“

Über den Elbe-Ausbau wird nun jedenfalls wieder gestritten. Steffi Lemke, Grünen-Bundestagsabgeordnete aus Sachsen-Anhalt, weiß ihre Fraktion seit März in dieser Frage hinter sich. Denn der wirtschaftliche Nutzen des Ausbaus ist umstritten. Für Steffi Lemke steht zudem fest, „dass er die Hochwassersituation verschärft, weil die Fließgeschwindigkeit zunimmt“. Auch Bundeskanzler Gerhard Schröder will die Pläne zumindest überprüfen, wie die Regierung am Mittwoch mitteilte. Erst am Tag zuvor hatte Verkehrsminister Kurt Bodewig (SPD) gesagt, er wolle an den umstrittenen Ausbauplänen festhalten. Auch Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) beharrt auf den alten Plänen. Georg Rast dagegen hält den Ausbau schlicht für Geldverschwendung: „Die Mittel wären an anderer Stelle sinnvoller eingesetzt.“

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