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Mehrheit verloren: US-Präsident Barack Obama.

© AFP

Nach der Wahl in den USA: Barack Obama muss auf die Konservativen zugehen

Nach der Wahlniederlage der Demokraten in den USA muss Präsident Barack Obama den Republikanern Kompromisse anbieten. Deren Wahlsieg erhöht aber auch ihre eigene Verantwortung. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Barack Obamas Name stand nicht auf den Stimmzetteln bei der Kongresswahl. Dennoch ist dies seine Niederlage. Er war die zentrale Figur für die Stimmungslage am Wahltag, sein gesunkenes Ansehen – 42 Prozent Zustimmung der Bürger laut Umfragen – setzte die Grenzen für das Abschneiden der Demokraten. Nach der historischen Erfahrung hätte seine Partei ausgewogene Chancen ab einem Rating von 45 Prozent Zustimmung gehabt.

Andererseits wäre es übertrieben, das mäßige Abschneiden seiner Partei nun als „Debakel“ oder „Fiasko“ zu interpretieren. Im Repräsentantenhaus gewannen die Republikaner ein Dutzend Sitze hinzu, im Senat netto sieben Sitze. Damit kippten sie die Mehrheit in der zweiten Kammer, die – vergleichbar dem deutschen Bundesrat - die Interessen der Einzelstaaten vertritt. Im historischen Vergleich sind solche Verluste moderat. George W. Bush verlor bei seiner letzten Zwischenwahl 2006 30 Sitze allein im Abgeordnetenhaus. Bill Clinton bei seinen ersten „Mid Term Elections“ 1994 sogar 60 Sitze. Zur amerikanischen Normalität gehört es eben auch, dass Präsidenten in ihren letzten zwei Amtsjahren die Mehrheiten in Repräsentantenhaus und Senat gegen sich haben.

Was bedeutet diese Konstellation für Obamas restliche Amtszeit, was kann er noch bewirken? Diese Fragen richten sich nicht nur an den Präsidenten, sondern auch an die Republikaner. Mit dem Sieg ist auch ihre Verantwortung gewachsen; das kann noch unbequem für sie werden. Innenpolitisch muss Obama auf die Konservativen zugehen, ihnen Kompromissangebote machen – so wie Bill Clinton dies tat; seine letzten zwei Jahre sind den Amerikanern, trotz des Lewinsky-Skandals und des Amtsenthebungsverfahrens, als Zeit in Erinnerung, in denen das Zusammenwirken eines demokratischen Präsidenten mit einem republikanischen Kongress leidlich funktionierte. Freilich waren dies im Vergleich zu heute sonnige Jahre: Die Konjunktur lief gut, die internationale Lage war relativ ruhig. Und es lag in Clintons Naturell, seine politischen Gegner zu umarmen. Obama ist kein Clinton. Ihm fehlt diese Gabe offenbar. Freilich hat er es auch mit anderen, kompromissloseren Republikanern zu tun als Clinton damals.  

Das Verhalten der Republikaner begrenzt die Hoffnung auf Zusammenarbeit

Das bisherige Verhalten der Republikaner begrenzt die Hoffnung auf zwei letzte Jahre einer Kohabitation wie unter Clinton eben auch. Seit Jahren betreiben sie eine prinzipielle Blockadepolitik. Ihr rechter Flügel argumentiert, die Verweigerungshaltung habe Erfolg gebracht und ihnen den Wahlsieg vom Dienstag beschert. Heißt das dann nicht: Weiter so?

Andererseits gilt: Nach der Wahl ist vor der Wahl. Nun richten sich die Blicke auf die Präsidentschaftswahl 2016. Wenn die Republikaner in vier Jahren das Weiße Haus gewinnen wollen, wird effektive Oppositionsarbeit durch Blockade nicht reichen. Nachdem sie nun in beiden Parlamentskammern die Mehrheit haben, müssen sie ihren Gestaltungswillen und ihre Mitverantwortung für das Wohl des Landes zeigen.

Destruktive Aktionen wie in den jüngsten Jahren, zum Beispiel die Verweigerung des Budgets und der angedrohte „Government Shutdown“, werden damit weniger wahrscheinlich. Die Republikaner wären zudem gut beraten, sich erst gar nicht um die Verwirklichung ihres liebsten Wahlversprechens zu bemühen: die unpopuläre Gesundheitsreform rückgängig zu machen. Der Präsident hat ein Vetorecht gegen Gesetzesentwürfe. Und die Republikaner verfügen nicht über die qualifizierten Mehrheiten im Kongress, die nötig wären, um sein Veto zu überstimmen.

Die Gesellschaft ist tief gespalten

Es öffnen sich also Spielräume für ein bisschen Kooperation. Freilich wird die sehr begrenzt bleiben. Die Gesellschaft ist weiterhin politisch tief gespalten, die Polarisierung der Lager ist hoch. Soweit Zusammenarbeit möglich wird, gründet sie sich nicht auf gewollte Partnerschaft, sondern auf kleine Bausteine, wo sich die strategischen Interessen der Republikaner mit denen der Demokraten überschneiden.

An diesem kleinen Bisschen demonstrativer Kooperationsbereitschaft haben insbesondere jene Konservative Interesse, die für die Präsidentschaft 2016 kandidieren wollen. Zum Beispiel mit Blick auf die überfällige Reform des Einwanderungsrechts. Beide Lager sind auf die Stimmen der Latino-Wähler angewiesen, wenn sie 2016 den Kampf um das Weiße Haus gewinnen wollen. Das ist keine Garantie, dass die Einwanderungsreform noch kommt, aber es erhöht die Chancen.

Im Übrigen wird sich Barack Obama in seinen letzten zwei Jahren verstärkt der Außenpolitik widmen. Auch das hat Tradition. „Lame Duck“-Präsidenten, die in der Innenpolitik kaum noch etwas bewegen können, verlegen sich auf internationale Themen.

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