zum Hauptinhalt
Eine FBI-Razzia auf dem Anwesen des Ex-Präsidenten Donald Trump wirft Fragen auf.

© MANDEL NGAN / AFP

Nach FBI-Razzia: Was könnte Trump mit geheimen Akten über Atomwaffen wollen?

Ein Bericht der „Washington Post“ elektrisiert. Hatte Trump in Mar-a-Lago geheime Dokumente über Atomwaffen gelagert? Über Hintergründe wird wild spekuliert.

Ihm ist alles zuzutrauen. Jede Verrücktheit, jede Intrige, jedes Komplott. Deshalb sprießen bei allen Ereignissen, die sich um Donald Trump ranken, sofort die wildesten Spekulationen ins Kraut. Die Machenschaften des Bösewichts sollen ein für allemal und unwiderlegbar entlarvt werden. So ist es auch diesmal.

Am Montag hatten FBI-Agenten das Anwesen des 76-jährigen Ex-Präsidenten in Florida durchsucht und zwölf Kisten mit Dokumenten beschlagnahmt. Wonach die Beamten der Bundespolizei genau fahndeten, war zunächst unklar. Womöglich hatte Trump nach seinem Ausscheiden aus dem Amt präsidiale Korrespondenz aus dem Weißen Haus entwendet, die gemäß der Regularien ins Nationalarchiv gehört.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Doch in der Nacht auf Freitag berichtete die „Washington Post“ unter Berufung auf nicht näher bezeichnete Quellen, dass auch nach geheimen Dokumenten über Atomwaffen gesucht worden war. Worum es dabei konkret ging und ob die Informationen die USA betreffen oder andere Staaten und ob entsprechende Dokumente gefunden worden seien – all das blieb offen.

Der Vorgang gilt als beispiellos in der US-Geschichte

Doch das Stichwort reichte, um die Hintergründe der ohnehin schon äußerst spektakulären Razzia noch brisanter wirken zu lassen. Der Vorgang gilt als beispiellos in der US-Geschichte. Warum hatte sich Justizminister Merrick Garland zu einem solch drastischen Schritt veranlasst gesehen. War Gefahr im Verzug?

Trump selbst hatte die Durchsuchung öffentlich gemacht und heftig kritisiert. Auf dem von ihm mitbegründeten sozialen Netzwerk „Truth Social“ beschuldigte er seinen Rivalen, den demokratischen Präsidenten Joe Biden, das Justizministerium und das FBI zu politisieren. Biden wiederum bestritt, vorab über die Durchsuchung informiert gewesen zu sein.

Der Druck auf Garland, die Gründe für die Razzia offenzulegen, wurde stetig stärker. Doch das Justizministerium darf sich zu Einzelheiten eines laufenden Verfahrens nicht äußern. Formell läuft es so ab: Der Antrag auf einen Durchsuchungsbefehl muss von einem Bundesrichter genehmigt werden. Dem Antrag beigefügt werden müssen eidesstaatliche Erklärungen darüber, wo und was durchsucht wird, was man zu finden hofft und warum das Material höchstwahrscheinlich Beweise für eine spezifische Straftat enthält. Der Durchsuchungsbefehl, von dem die Anwälte Trumps eine Kopie bekamen, enthält nicht die Anlagen mit den eidesstattlichen Erklärungen.

Kein Amerikaner steht über dem Gesetz

Um nun den Ball in das Feld von Trump zurückzuspielen, trat Garland am Donnerstag bei einer kurzfristig anberaumten Ansprache vor die Öffentlichkeit. Er habe die Entscheidung, einen Durchsuchungsbefehl zu beantragen, „persönlich gebilligt“, sagte er. „Der Durchsuchungsbefehl wurde von einem Bundesgericht nach der erforderlichen Feststellung eines hinreichenden Verdachts genehmigt.“ Kein Amerikaner stehe über dem Gesetz. Angesichts des öffentlichen Interesses und der Bestätigung des Vorfalls durch Trump habe sein Ministerium nun bei einem Bundesgericht beantragt, den Durchsuchungsbefehl zu veröffentlichen.

Dagegen konnte Trump bis Freitagnachmittag (Ortszeit) Widerspruch einlegen. Klar war: Würde er es tun, würde sich der Verdacht erhärten, er habe etwas zu verbergen.

Was aber könnte das sein? Was will ein ehemaliger Präsident mit streng geheimem Material, das Atomwaffen betrifft? In seiner Villa in Mar-a-Lago gehen Gäste aus dem In- und Ausland ein und aus. Das Anwesen wird zwar streng bewacht, aber ob die Dokumente vor Diebstahl oder dem Zugriff durch fremde Geheimdienste ausreichend geschützt sind, ist unklar. Die entsprechenden Begehrlichkeiten wären sicherlich groß.

Milley hielt Trump für unberechenbar und gefährlich

Außerdem ließe ein möglicher Besitz streng geheimer Atomwaffen-Dokumente auch Trumps Beziehungen zu Wladimir Putin oder dem saudi-arabischen Kronprinzen Mohammed bin Salman (MBS) in einem neuen Licht erscheinen. MBS kontrolliert den Staatsfonds „Public Investment Fund“, der zwei Milliarden Dollar in eine Firma von Jared Kushner, Trumps Schwiegersohn, investiert hatte. An einen von Ivanka Trump initiierten Hilfsfonds spendeten Vertreter Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate hundert Millionen Dollar. Würden die Scheichs auch Geld für die Preisgabe geheimer amerikanischer Dokumente zahlen? In der Gerüchteküche brodelt es.

Auch Erinnerungen an das zerrüttete Verhältnis zwischen Trump und dem amerikanischen Generalstabschef Mark Milley werden wach. Nach der Erstürmung des Kapitols am 6. Januar 2021 soll sich Milley aus Sorge um mögliche irrationale Handlungen Trumps mit den Spitzen der Geheimdienste CIA und NSA abgestimmt haben. Milley hielt Trump für unberechenbar und gefährlich und schränkte dessen Zugriff auf Atomwaffen ein.

Er befahl der Führungsebene des „National Military Command Center“, das das Atomwaffen-Arsenal der USA kontrolliert, über alle Vorgänge zunächst ihn, den Generalstabschef, zu konsultieren, nicht den Oberbefehlshaber, den noch amtierenden, aber bereits abgewählten Trump. Das jedenfalls berichtet die Reporter-Legende Bon Woodward. Trump warf Milley daraufhin Landesverrat vor.

Der Graben zwischen Demokraten und Republikanern ist tiefer denn je

Die Hoffnung, dass mehr Klarheit über die Hintergründe der Razzia in Mar-a-Lago die erhitzten Gemüter etwas abkühlt, dürfte indes trügerisch sein. Der Graben zwischen Demokraten und Republikanern ist tiefer denn je. Schon kursiert unter Trump-Anhängern die Vermutung, womöglich seien Trump belastende Dokumente vom FBI selbst in dessen Anwesen deponiert und dann „gefunden“ worden.

FBI-Direktor Christopher Wray plagt bereits die Sorge vor gewaltsamen Übergriffen. In Cincinnati im Bundesstaat Ohio griff am Donnerstag ein bewaffneter Mann ein Büro der Bundespolizei an, feuerte eine Nagelpistole ab und zeigte ein halbautomatisches Gewehr. Dann floh er, wurde gestellt und bei einem Schusswechsel getötet. Drohungen gegen die Bundespolizei im Zusammenhang mit der Razzia seien „verwerflich und gefährlich“, sagte Wray am Mittwoch. Auch Bundesrichter Bruce Reinhart, der den Durchsuchungsbefehl genehmigt hatte, wird bedroht.

Steve Bannon, Rechtspopulist und einst Chefberater im Weißen Haus, nahm die Razzia zum Anlass, um die Verschwörungsmythologie auf die Spitze zu treiben. „Ich halte es durchaus für möglich“, sagte er, „dass dieser Verwaltungsstaat und der Apparat des Deep State an einem Attentat auf Präsident Trump arbeiten.“ Immer lauter wird die Gefahr eines Bürgerkriegs beschworen. Die Anhänger Trumps drohen damit, seine Gegner warnen davor. Amerika kommt nicht zur Ruhe.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false