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Nach halbem Jahrhundert: Japaner wählen Regierungspartei ab

In Japan kommt es nach Auszählung fast aller Stimmen zum Machtwechsel. Die Opposition hat demnach einen überwältigenden Sieg errungen. Der voraussichtliche neue Premier stammt aus einer Politikerdynastie.

Politisches Erdbeben in Japan: Erstmals seit mehr als einem halben Jahrhundert kommt es in der zweitgrößten Wirtschaftsnation der Welt zu einem wirklichen Machtwechsel. Die bisher größte Oppositionspartei, die Demokratische Partei Japans (DPJ) unter dem Hoffnungsträger Yukio Hatoyama, fügte bei der Wahl zum mächtigen Unterhaus des Parlaments am Sonntag den Liberaldemokraten (LDP) von Regierungschef Taro Aso eine verheerende Niederlage bei. "Ich denke, das Wahlergebnis spiegelt den Ärger der Wähler über die regierende Koalition wider", sagte Hatoyama.

Der seit 1955 fast ununterbrochen regierenden LDP wird jahrelanges Missmanagement, wirtschaftliche Stagnation und ein schwerer Rentenskandal angelastet. Aso übernahm die Verantwortung für die Niederlage und erklärte seinen Rücktritt als LDP-Vorsitzender.

Wahl zum Regierungschef Mitte September

Der 62-Jährige Hatoyama wird voraussichtlich in der Woche vom 14. September durch das Unterhaus zum neuen Regierungschef gewählt. Seine Partei hatte nach Auszählung fast aller Stimmen eine absolute Mehrheit von mehr als 300 der 480 Unterhaussitze  sicher. Damit hat sie das Ergebnis der vorherigen Wahl 2005, als die LDP unter dem populären Premier Junichiro Koizumi rund 300 Sitze gewann, praktisch umgekehrt. Das Votum der Wähler vom Sonntag ist zugleich der letzte Schritt zu einem echten Zwei-Parteien-System in Japan.

Hatoyama stammt aus einer Politikerdynastie: Schon der Großvater war Premier, sein Vater Außenminister, sein jüngerer Bruder, der der LDP angehört, Innenminister. Mit der DPJ übernimmt eine Partei in Japan die Macht, die keine Regierungserfahrung hat. Die 1998 gegründete DPJ ist ein Sammelbecken aus LDP-Überläufern, Sozialdemokraten und Ex-Gewerkschaftern. Hatoyama deutete im Vorfeld an, die bisherigen Oppositionspartner, die Sozialdemokratische Partei und die Neue Volkspartei, an seiner neuen Regierung zu beteiligen.

Er versprach, die DPJ werde die von "Bürokraten geführte unverantwortliche Politik" der LDP-Ära beenden. Seine Partei will 100 Parlamentarier auf Schlüsselpositionen in die Ministerien schicken, um die Macht der Bürokratie zu brechen und der Politik zurückzugeben.

Risikoscheue Japaner sehnen sich nach Wandel

Während die LDP zuerst die Interessen der Wirtschaft bediente, stellen die Demokraten die Bürger ins Zentrum. Die DPJ will denen helfen, die am stärksten von der Krise betroffen sind: Familien mit Kindern, Rentnern, Arbeitslosen und Landwirten. So will sie das Kindergeld erhöhen, Gebühren für höhere Schulen und Autobahnen abschaffen, Bauern ein Mindesteinkommen geben und eine Mindestrente einführen.

Asos Niederlage gegen Oppositionsführer Yukio Hatoyama war allgemein erwartet worden. Die eigentlich als risikoscheu geltenden Japaner sehnten sich - verunsichert durch die steigende Arbeitslosigkeit und die Überalterung der Gesellschaft - offenbar nach einem Wandel. Insgesamt waren 103 Millionen Wahlberechtigte zur Stimmabgabe aufgerufen. (sf/smz/dpa/AFP)

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