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Die EU bewegt sich nicht. Und die Leichen der Flüchtlinge werden einfach zurück nach Afrika gefolgen.

© AFP

Nach Katastrophe von Lampedusa: Europas Stillstand in der Flüchtlingspolitik

In der Asylpolitik schieben sich die EU-Innenminister gegenseitig die Verantwortung zu. Aber am Verfahren bei der Aufnahme von Asylsuchenden soll sich nichts ändern.

Die EU bemüht sich nach der Flüchtlingskatastrophe von Lampedusa um eine Antwort, die deutlich machen soll, dass sich ein solches Drama nicht wiederholen kann. Aber tatsächlich bleiben die Staaten der Gemeinschaft so zerstritten wie eh und je in der Frage, wie sie mit den Schutzsuchenden aus Afrika und dem Nahen Osten künftig umgehen sollen. Dieser Eindruck tat sich am Dienstag nach dem Treffen der EU-Innenminister in Luxemburg auf, das nach der jüngsten Flüchtlingstragödie ganz im Zeichen der EU-Asylpolitik stand.

Bis Dienstagabend wurden vor Lampedusa mehr als 270 Tote geborgen. Aber der Tod von mehreren hundert Menschen, die vor allem aus Somalia und Eritrea stammten, hat zunächst nichts daran geändert, dass die meisten EU-Staaten keine Reform des sogenannten Dublin-Verfahrens wollen. Diese Regelung besagt, dass Asylsuchende in jenem Land der EU ihren Antrag stellen müssen, in dem sie an Land gehen. Da das im Fall der Flüchtlinge, die über das Mittelmeer kommen, vor allem Italien, Spanien, Malta und Griechenland sind, fordern diese Staaten seit langem ein Quotensystem, nach dem die Asylsuchenden in der gesamten EU verteilt werden können. Aber auch bei der Reform des EU-Asylrechts im vergangenen Frühjahr wollte die Mehrheit der EU-Staaten sich darauf nicht einlassen – allen voran Deutschland.

Sie haben wenig – außer der Hoffnung auf eine bessere Zukunft: Flüchtlinge auf der italienischen Insel Lampedusa.
Sie haben wenig – außer der Hoffnung auf eine bessere Zukunft: Flüchtlinge auf der italienischen Insel Lampedusa.

© dpa

Auch beim Treffen mit seinen Amtskollegen am Dienstag berief sich Innenminister Hans-Peter Friedrich darauf, dass Deutschland vergleichsweise viele Flüchtlinge aufnehme. Der CSU-Politiker machte folgende Rechnung auf: Während in Deutschland auf eine Million Einwohner 946 Flüchtlinge kämen, seien es in Italien nur 260 Flüchtlinge. „Das zeigt, dass die Erzählungen, dass Italien überlastet ist mit Flüchtlingen, nicht stimmen“, sagte Friedrich. Beim Schwarze-Peter-Spiel in der EU weiß Friedrich unter anderem seine Amtskollegen aus Schweden und Dänemark an seiner Seite. So verwies Stockholms Innenminister Tobias Billström darauf, dass Schweden und Deutschland zwei Drittel der Menschen aufgenommen hätten, die von Syrien in die EU geflohen seien.

Wenn es um einen Vergleich der Asylbewerberzahlen in der EU geht, kann Deutschland tatsächlich für sich verbuchen, die meisten Schutzsuchenden aufzunehmen. Nach den Angaben des europäischen Statistikamtes Eurostat wurden im vergangenen Jahr rund 330 000 Asylanträge in der EU gestellt – davon 77 500 allein in Deutschland.

Malmström schlägt Einsatz zur Rettung von Flüchtlingen vor

Den Streit unter den EU-Staaten konnte auch ein Vorschlag der Innenkommissarin Cecilia Malmström nicht übertünchen. Die Schwedin sagte, sie werde den Mitgliedstaaten einen groß angelegten Einsatz der EU-Grenzschutzbehörde Frontex zur Rettung von Bootsflüchtlingen „von Zypern bis Spanien“ vorschlagen. Allerdings zeigten sich EU-Diplomaten skeptisch, ob sich mit einer derartigen Aktion langfristig Katastrophen wie die jüngste Tragödie von Lampedusa verhindern lassen. Hinzu kommt, dass bei Frontex inzwischen der Rotstift angesetzt worden ist. Da auch die EU sparen muss, ist das Budget für die Grenzschutzagentur in diesem Jahr auf 85 Millionen Euro zusammengeschrumpft. 2011 waren es noch 118 Millionen Euro gewesen. Wie die Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf EU-Kreise berichtete, sind auch in Italien unter dem Spardruck die Einsätze der Küstenwache eingeschränkt worden.

Wenn EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso an diesem Mittwoch nach Lampedusa reist, wird er kaum konkrete Vorschläge für die künftige EU-Asylpolitik in der Tasche haben. Dafür konnten andere handeln: Den Besatzungen zweier Frachter gelang es in der Nacht zum Dienstag vor Sizilien, rund 400 Flüchtlinge aus Seenot zu retten.

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