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Machst du, oder ich? Bundespräsident Joachim Gauck sieht eher Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Verantwortung, die Euro-Politik zu erklären. Er sei schließlich "keine Ersatzregierung".

© dpa

Nach Kritik von Gauck: Wer muss eigentlich die Euro-Politik erklären?

Der Bundespräsident hält die Euro-Rettung für nicht ausreichend erklärt – das sei allerdings Aufgabe der Kanzlerin; er sei keine „Ersatzregierung“. Dagegen gibt es Widerstand in der Union.

Ein unbequemer Präsident wird Joachim Gauck. Damit hatten viele gerechnet. Nur, kommt es jetzt vielleicht ganz anders? Ist der Bundespräsident bequem geworden? Man könnte seine Worte im ZDF am Sonntagabend so deuten. Denn auf eine große Rede zur Euro-Krise scheint er derzeit keine Lust zu haben. Er sieht vielmehr Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Rolle der politischen Vermittlerin ihrer Krisenpolitik. Frei nach dem Motto: Was sie in Brüssel verhandelt, beschließt und durchsetzt, muss sie ihren Bürgern – und auch ihren Abgeordneten – ordentlich selbst erklären.

Gauck fordert Klartext von der Kanzlerin. „Sie hat nun die Verpflichtung, sehr detailliert zu beschreiben, was das bedeutet, auch fiskalisch bedeutet“, sagte Gauck. Mäßig seien die Erklärungsversuche der Politik in der Euro-Krise. „Manchmal ist es mühsam zu erklären, worum es geht. Und manchmal fehlt die Energie und die Entschlossenheit, der Bevölkerung sehr offen zu sagen, was eigentlich passiert.“ Das alles sei nicht seine Aufgabe, er sei schließlich keine „Ersatzregierung“. Gleichzeitig aber zollt er Merkel Respekt: „Ich habe andere Aufgaben, und ich könnte nicht, was sie kann und was sie gerade leistet.“ Sein Verhältnis zu Merkel sei unbelastet, „da ist nichts“, sagte er.

Der Bundespräsident, der Freiheitskämpfer, in Bildern:

Helle Aufregung herrscht deshalb in der CDU ob dieser präsidialen Ermahnung auch nicht. Schließlich wissen alle, wie schwer es ist, komplexe Themen wie den Fiskalpakt, den dauerhaften Euro-Rettungsschirm oder die Hilfen für finanziell angeschlagene Euro-Länder einfach und verständlich zu erklären. Gerade jetzt in der Sommerpause werden viele Abgeordnete in ihren Wahlkreisen damit wieder Erfahrungen sammeln. Den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) auf einem Sommerfest in der deutschen Provinz zu erklären, ist kein leichtes Unterfangen. Aber dass sich der Bundespräsident jetzt gänzlich aus der Erklärungsverantwortung ziehen will? CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sagte es dem Tagesspiegel so: „Mit der überwältigenden Mehrheit in unserer Bevölkerung teilen wir den hohen Respekt des Bundespräsidenten für die herausragende Leistung von Angela Merkel. Die Politik zur Stabilisierung unserer Währung immer wieder zu erklären, ist unsere gemeinsame Verantwortung“, sagte er dem Tagesspiegel. Sprich: Alle müssen ran – auch der Bundespräsident.

Auch Wolfgang Bosbach, von Haus aus Innenexperte der CDU, aber auch einer der prominentesten ESM-Kritiker der Union, verteidigte Angela Merkel. „Seit Ausbruch der Krise hat die Bundeskanzlerin ihre Politik immer wieder erklärt und in einen historischen europapolitischen Kontext gestellt, weshalb ich die Kritik der mangelnden Erklärung oder des mangelnden Engagements nicht teilen kann“, sagte er dem Tagesspiegel. Gauck forderte aber nicht nur mehr Anstrengung von Angela Merkel beim Erklären ihrer Politik, er äußerte gleichzeitig seine Erleichterung über die Klagen gegen ESM und Fiskalpakt vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. „Die Kläger haben alles Recht, ihre Sorgen zum Ausdruck zu bringen.“ Er sei froh, „dass dieser Weg beschritten wird“, sagte Gauck.

Gaucks Wahltag in Bildern:

Am Dienstag wird sich das Gericht in Karlsruhe mit Eilanträgen gegen den dauerhaften Rettungsschirm ESM und den europäischen Fiskalpakt befassen. Bundespräsident Norbert Lammert warnte vor gravierenden Folgen, sollte das Gericht die Gesetze für grundgesetzwidrig erklären. Bosbach wiederum mahnte zur Neutralität in der Politik. „Wir sind gut beraten, uns zurückzuhalten mit Bewertungen und das Gericht frei entscheiden zu lassen“, sagte er. Von Zurückhaltung konnte nach den Gipfel-Beschlüssen vor allem bei den Christsozialen keine Rede sein. CSU-Chef Horst Seehofer hatte offen infrage gestellt, wie lange er die Euro-Rettungspolitik noch mittragen könne.

Auch um ein besseres und vor allem gemeinsames Vorgehen in der Euro-Politik abzustimmen, hat sich Merkel am Freitag überraschend mit Seehofer und FDP-Chef Philipp Rösler im Kanzleramt getroffen. Rund zwei Stunden soll das Gespräch gedauert haben. Über Inhalte haben die drei Parteichefs aber Stillschweigen vereinbart. Aber vielleicht wird ja Gaucks Wunsch nach Erklärungen noch nachträglich erfüllt.

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