zum Hauptinhalt
In Mailand wurde ein Jude vor diesem Supermarkt niedergestochen.

© dpa

Nach mehreren Vorfällen: In Italien wächst die Angst vor Terrorismus

In Mailand wurde ein Jude auf offener Straße niedergestochen. In Südtirol hat die Polizei eine islamistische Zelle ausgehoben. Die Bürger haben zunehmend Angst.

Die beiden Vorfälle haben wohl nichts miteinander zu tun, allerdings sorgt ihr zeitliches Zusammentreffen in Italien für Aufregung: Am Donnerstagabend wurde in Mailand ein Jude auf offener Straße niedergestochen. Wenige Stunden zuvor hatten Terrorismusfahnder in Rom bekanntgegeben, sie hätten eine Islamistengruppe zerschlagen und in mehreren Ländern Europas 17 Verdächtige festgenommen. Der italienische Teil der Terrorzelle mit ihren sieben Mitgliedern saß im bis dato völlig unauffälligen Südtirol.

Die Aufregung bezieht sich auf das „Heilige Jahr“, das am 8. Dezember in Rom beginnt. Die dann von tausenden Pilgern besuchten Kirchen könnten, so die Befürchtung, Ziel von Anschlägen werden. Dass Italien im Fokus der Islamisten steht, bestätigt Innenminister Angelino Alfano, der die Zerschlagung der islamistischen Zelle am Donnerstag aber als Anlass zur Beruhigung nahm: „Die Vorbeugung funktioniert.”

Die Messerattacke auf den 40-jährigen Juden in Mailand, der als Begutachter koscherer Lokale arbeitet, ist bisher in Italien beispiellos. Viele Einzelheiten zur Tag konnte die Polizei bis Freitagmittag nicht mitteilen, außer dass der Angriff in der Nähe einer koscheren Pizzeria stattfand und der Überfallene durch das Tragen einer Kippa als Jude erkennbar war. Ob der Täter, der sich unter einem Kapuzenpulli unkenntlich gemacht hatte, allein unterwegs war oder Komplizen hatte, bleibt vorerst unklar. Die Polizei hoffte auf das Bildmaterial einer „in guter Position angebrachten” Überwachungskamera. Der Überfallene schwebt nach Auskunft der Ärzte trotz erheblichen Blutverlusts nicht in Lebensgefahr.

Antisemitismus beschränkt sich in Italien bisher auf (nicht übermäßig viele) Hakenkreuzschmierereien an Hauswänden und  auf vereinzelte Gesänge in den Fußballstadien. Zum Holocaust-Gedenktag bekam die jüdische Gemeinde in Rom voriges Jahr drei Schweineköpfe aus den üblichen rechtsextremen Splittergruppen übersandt. Das Attentat palästinensischer Terroristen auf die Synagoge in Rom, bei dem 37 Personen verletzt und ein Zweijähriger getötet wurden, liegt schon 33 Jahre zurück. Und gerade Mailand galt bisher eher als ruhig.

Die Regierung versucht, für Ruhe zu sorgen

Die ersten Hypothesen gehen nun dahin, dass der oder die Täter die palästinensische “Intifada der Messer”, die derzeit in Israel für Unruhe sorgt, nachahmen wollten. Politiker praktisch aller Parteien verurteilten die Attacke scharf.

Die in Südtirol ausgehobene Terrorzelle wiederum soll aus Norwegen ferngesteuert worden sein. In Haft sitzt dort der kurdische Islamist Mullah Krekar, dessen Telefon aus dem Gefängnis die italienischen Fahnder angeblich belauscht haben. Aus den Gesprächen ging hervor, dass Krekars Anhänger in Meran und Bozen die Anwerbung von “foreign fighters” für den Krieg in Syrien betrieben und auch „lebenslange Entführungen“ von Diplomaten für den Fall vorgesehen haben, dass dem Mullah etwas zustoßen sollte. „Dann gibt’s Explosionen“, soll ein Verhafteter gesagt haben, der vom “Martyrium für Kurdistan” schwärmte, im Angriff „gegen jeden, der unser Land besetzt“.

Erst vor wenigen Tagen sind in Italien Terrorängste aufgeflammt, die von Regierung und Sicherheitsbehörden sorgsam niedergehalten werden, von der Opposition aber zur Polemik gegen die vielen Flüchtlinge eingesetzt werden: die Ängste, unter den Flüchtlingen könnten sich Bombenleger verbergen. Tatsächlich war im Oktober über die Insel Lampedusa ein Tunesier eingereist, der sich als politisch Verfolgter ausgab. Die italienische Polizei aber kannte seine Fingerabdrücke: Der 38-Jährige hatte früher in Norditalien als Maurer - und als Kontaktmann für Dschihadisten gearbeitet. Dem Mann werden Kenntnisse im Umgang mit Sprengstoff zugeschrieben; nach sieben Jahren Haft hatte Italien ihn ausgewiesen. Diesmal wurde er unverzüglich in seine Heimat zurückgebracht.

Um die Italiener nicht zu beunruhigen, war der Einreiseversuch des Tunesiers zunächst geheimgehalten worden; später nutzte Minister Alfano die Rückschiebung, um seine Landsleute zu beruhigen: „Dank harter Arbeit unserer Sicherheitskräfte haben wir ihn erwischt und wieder weggeschickt. So funktioniert Italien.” Insgesamt sind laut Alfano dieses Jahr bereits 64 islamische Extremismus-Verdächtige festgenommen und 45 ausgewiesen worden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false