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Martin Schulz ist Vorsitzender der Sozialdemokratischen Fraktion des Europäischen Parlaments.

© ddp

Nach Mladic-Verhaftung: Darf Serbien jetzt in die EU?

Mit Ratko Mladic ist einer der schlimmsten serbischen Kriegsverbrecher gefasst worden. Serbien könnten damit Kandidat für einen EU-Beitritt werden.

Herr Schulz, darf Serbien jetzt in die EU?

Wir sind sicher noch nicht bei einem Beitritt Serbiens. Es geht erst einmal darum, dass Serbien einen Zeitpunkt genannt haben will, um Beitrittsverhandlungen aufnehmen zu können. Eine Grundvoraussetzung, so etwas überhaupt ins Auge fassen zu können, war die vollständige Kooperation mit dem Haager Kriegsverbrechertribunal. Bisher maß sich die Kooperation immer daran, ob Serbien Ratko Mladic ausliefern wird. Das ist jetzt geschehen. Das ist sicher ein Schritt in Richtung verstärkter Zusammenarbeit zwischen der EU und Serbien.

Wurde Mladic in Serbien bisher vor der Verhaftung geschützt?

Die serbische Regierung hat nach meinem Dafürhalten glaubwürdig darstellen können, dass sie alles getan hat, um Mladic zu verhaften. Es gab ja immer mal wieder Zweifel, dass dem tatsächlich so ist. Es gibt in Serbien auch durchaus Leute, die Mladic schützen wollten und wohl auch geschützt haben. Mladic war untergetaucht und hat sich erfolgreich verstecken können, möglicherweise auch deshalb, weil er im Staatsapparat Leute hatte, mit denen er früher zusammengearbeitet hat, die ihn geschützt haben. Sicher aber ist, dass die jetzige Regierung immer hinter ihm her war. Und alles getan hat, ihn aufzuspüren.

Was macht Sie da so sicher?

Ich habe Staatspräsident Boris Tadic gerade vor drei Wochen getroffen. Wir haben auch über Mladic gesprochen und über die Bedeutung der Auslieferung für die Europa-Perspektive Serbiens. Er hat im Gespräch mit mir zwar keinerlei Andeutungen über eine bevorstehende Verhaftung gemacht. Aber daran, dass er dazu gewillt ist, hat er keinen Zweifel gelassen. Ich bin sehr froh, dass die Regierung jetzt mit der Festnahme dieses Mannes zeigt, dass sie es ernst damit meint, die für die Gräuel des Krieges Verantwortlichen auch zur Verantwortung zu ziehen.

Können sich die Völker in der Region jetzt endgültig versöhnen?

Mladic ist der prominenteste Kriegsverbrecher der Balkankriege, seine Auslieferung ist vor allem auch eine symbolische Geste. Die serbische Regierung zeigt, dass diejenigen, die an den Gräueltaten der Balkankriege beteiligt waren, nicht ungeschoren davonkommen. Von daher ist die Auslieferung in ihrer symbolischen Bedeutung, als Aufbruch in eine andere Zukunft gar nicht hoch genug zu bewerten.

Aber was spricht dann eigentlich noch gegen einen EU-Beitritt Serbiens?

Es gibt viele weitere Gründe, weshalb ein Beitritt momentan noch nicht möglich ist. Einer ist sicher die Kosovo-Frage, die sowohl innerhalb der EU als auch mit Serbien weiterhin ungeklärt ist, das sich bisher weigert, die Unabhängigkeit des Kosovos anzuerkennen. Dann ganz sicher noch die ökonomischen und strukturellen großen Probleme und es braucht weitere Anstrengungen gegen Kriminalität und Korruption – also die lange Liste von Problemen, die es auch mit anderen Bewerberstaaten für die Aufnahme in die EU gibt. Das ist noch ein langer Weg für Serbien in die Europäische Union, aber die Auslieferung ist ein sehr wichtiger erster Schritt.

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