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Politik: Nach neuen Regeln

Im Zuge der BND-Affäre lockert sich die Geheimhaltungspflicht des Parlamentarischen Kontrollgremiums

Von
  • Frank Jansen
  • Matthias Meisner

Berlin – In der BND-Affäre geht die Regierung auf die Opposition zu. Nach der sechsstündigen Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG) am Mittwoch, bei der die einst in Bagdad agierenden Agenten aufgetreten waren, bekam PKG-Mitglied Hans-Christian Ströbele (Grüne) am Donnerstag telefonisch die Erlaubnis, seine Fraktionschefs zu unterrichten. Damit wurde erstmals in der Geschichte des PKG die Geheimhaltungspflicht gelockert. Dies hatten Grüne und Linkspartei gefordert. Ströbele konnte jedoch nur unter einer Bedingung Renate Künast und Fritz Kuhn unterrichten: Die beiden durften nichts weitergeben.

Ein weiterer Schritt der Regierung: Am Montag will Kanzleramtschef Thomas de Maizière die Vorsitzenden aller fünf Fraktionen über den offiziellen Stand der Erkenntnisse zur BND-Affäre informieren. In Oppositionskreisen regt sich Argwohn: Die Regierung könnte mit ihrer „Informationsoffensive“, so heißt es, auch das Ziel verfolgen, einen Untersuchungsausschuss überflüssig erscheinen zu lassen.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier kündigte jedenfalls von Ägypten aus an, er werde an diesem Freitag in die Bundestagsdebatte zur BND-Affäre „sehr selbstbewusst hineingehen“. Dabei hatte das PKG nach seiner Sitzung die beiden BND-Agenten keinesfalls generell entlastet. Zwar hätten sie „glaubhaft bekundet“, nicht an der Restaurant-Bombardierung am 7. April 2003 im Bagdader Stadtteil Mansur mitgewirkt zu haben. Andere Fragen aber blieben offen: Bis zum Eintreffen der US-Streitkräfte in Bagdad habe es keine direkten Kontakte zwischen den Agenten und Amerikanern gegeben – aber was war danach? Und das PKG will die Darlegungen „unter anderem durch Akteneinsicht und erforderlichenfalls durch Beauftragung eines militärischen Sachverständigen“ überprüfen.

Die Debatte in der Opposition geht derweil erst richtig los – vor allem die Grünen sind reserviert. Ihr Parlamentsgeschäftsführer Volker Beck griff die FDP an, die im Untersuchungsausschuss „Löcher in die Luft“ fragen wolle. „Das notwendige Ausmaß der Untersuchung ist durch die parlamentarische Aufklärung geschrumpft.“ Für die FDP dagegen bleibt, was den Einsatz in Bagdad angeht, ein zu untersuchender „Restkomplex“. Gar nicht erledigt ist der Fall für die Linksfraktion. Ihre Vertreter glauben, dass sich die Agenten mit der Benennung von Zielen, die nicht bombardiert werden sollten – etwa Schulen und Krankenhäuser – an der „Zielplanung“ der USA beteiligt hätten.

Zweifel an der offiziellen Darstellung, der Einsatz der beiden BND-Männer sei nicht zu beanstanden, ruft auch die Informationspolitik von Regierung und Geheimdienst gegenüber den Medien hervor. Für manche Vorgänge wurden mehrere Versionen gestreut. Ein Beispiel: Erst hieß es, die BND-Agenten hätten der US-Armee die Koordinaten der „Botschaft eines neutralen Staates“ geliefert und damit die drohende Bombardierung verhindert. Dafür habe BND-Mann Reiner M. eine Verdienstmedaille bekommen. Nächste Version: Bei der Botschaft habe es sich um die Vertretung von Katar gehandelt. Das Scheichtum war aber keineswegs neutral. Wenige Tage später hieß es: „Das war die Botschaft von Kuwait.“ Doch auch das Emirat war nicht neutral – aus Kuwait stießen im Krieg Amerikaner und Briten in den Irak vor. Die vorläufig letzte Drehung: Die BND-Männer hätten nicht während der Kämpfe, sondern „im Vorfeld“ den Standort der Botschaft Kuwaits genannt. Warum die Amerikaner im Vorfeld des Angriffs auf Bagdad nicht in der Lage gewesen sein sollen, bei ihrem Verbündeten Kuwait die Lage seiner Botschaft zu erfragen, bleibt allerdings offen.

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