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Nach den NSU-Ermittlungspannen will Innenminister Friedrich die Geheimdienste reformieren.

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Nach NSU-Ermittlungspannen: Friedrich will Verfassungsschutz umkrempeln

Wie geht es weiter mit dem Verfassungsschutz? Innenminister Friedrich kündigt nun „knallharte Konsequenzen“ an und plant einen grundlegenden Umbau des Verfassungsschutzes. Er sei „entschlossen, die Organisation ohne jedes Tabu zu überprüfen".

Die deutschen Sicherheitsbehörden stehen nach den Pannen bei den Ermittlungen zur Neonazi-Terrorgruppe NSU vor einer grundlegenden Neuausrichtung. Dabei werde es „keine Schere im Kopf“ geben, kündigte Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) in der „Bild am Sonntag“ an. Auch sein Amtsvorgänger Otto Schily (SPD) plädierte im dapd-Interview für weitreichende Veränderungen, zeigte sich aber wenig optimistisch, dass derartige Reformen durchgesetzt werden könnten.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) stellte derweil klar, dass auch bei der Operation „Safira“ keine V-Leute in der Terrorzelle NSU oder im Unterstützerkreis der Gruppe geführt wurden. Die Operation „Safira“ unternahm der Geheimdienst zwischen 2003 und 2005 im Anschluss an die umstrittene Operation „Rennsteig“ zur Gewinnung von V-Leuten in der Thüringer Neonazi-Szene. Der Untersuchungsausschuss zum Rechtsterror hatte in der vergangen Woche die „Rennsteig“-Akten geprüft und danach erklärt, die Behörde habe im Zuge der Operation keine Spitzel in der Terrororganisation oder seinem Umfeld geführt.

Der Verfassungsschutz hat offenbar erhebliche Anstrengungen unternommen, um den NSU-nahen rechtsextremen Thüringer Heimatschutz zu unterwandern. Zur Werbung und Steuerung von V-Leuten aus der Gruppe gründete die Kölner Behörde Ende der 1990er Jahre eine Scheinfirma, wie die Nachrichtenagentur dapd aus Sicherheitskreisen erfuhr. Die Gründung von Tarnfirmen hat in Thüringen indes eine zweifelhafte Tradition: Der ehemaligen Leiter des dortigen Landesamtes für Verfassungsschutz, Helmut Roewer, soll über Scheinfirmen Geld veruntreut haben.

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Der Inlandsgeheimdienst steht wegen Ermittlungsfehlern im Fall der im November 2011 aufgeflogenen Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) seit Monaten in der Kritik. Die Gruppe agierte mehr als ein Jahrzehnt unentdeckt von den Behörden im Untergrund und ermordete bundesweit zehn Menschen. Vergangene Woche war überdies bekannt geworden, dass im Verfassungsschutz just nach Auffliegen der Terroristen Akten zum
NSU-Fall geschreddert wurden. Behördenchef Heinz Fromm hatte daraufhin seinen Rückzug vom Amt angekündigt.

Als Reaktion kündigte Innenminister Friedrich „knallharte Konsequenzen“ an und plant einen grundlegenden Umbau des Verfassungsschutzes. Er sei „entschlossen, die Organisation ohne jedes Tabu zu überprüfen und wo notwendig zu verändern“, sagt er. Zudem sollen die Befugnisse der Bundesanwaltschaft ausgeweitet werden: „Der Generalbundesanwalt muss Fälle aus den Justizbehörden öfter und schneller an sich ziehen können als bisher“, sagte Friedrich.

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Wie die „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ berichtet, wird in der schwarz-gelben Koalition über eine große Reform der Sicherheitsbehörden diskutiert. Dabei könnte es um die Einführung des Amts eines nationalen Sicherheitsberaters oder eine Verlagerung der Aufsicht des Bundesnachrichtendienstes (BND) vom Kanzleramt an das Verteidigungsministerium gehen. Thema sei zudem eine Beschneidung der Kompetenzen des Bundesamtes für Verfassungsschutz um die Auslandsbezüge des islamistischen Terrorismus oder die Bedrohung durch Cyber-Attacken.

Auch der frühere Innenministers Schily plädierte für eine „straffere Organisation“ des Geheimdienstes. Dringend erforderlich sei, „durch die Stärkung der Bundeskomponente den Informationsfluss über die Ländergrenzen hinweg zu verbessern“, sagte der SPD-Politiker der Nachrichtenagentur dapd. Er habe bereits als Minister „auf das Problem der Zersplitterung des Verfassungsschutzes hingewiesen und vorgeschlagen, die 16 Landesämter in das Bundesamt als dezentrale Stellen einzugliedern“. Er habe eine grundlegende Reform jedoch gegen den Widerstand der Länder nicht realisieren können. (dapd)

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