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Die Bevölkerung in Ägypten hofft auf ein Ende des Chaos.

© AFP

Nach Parlamentsauflösung: Militär in Ägypten übernimmt Rechte des Parlaments

16 Monate nach dem Sturz Mubaraks soll Ägypten bei einer Stichwahl zwischen alter Garde und aufstrebendem Islamisten wählen. Viele Ägypter fühlen sich um ihre Wahlfreiheit betrogen. Ausgerechnet jetzt macht erneut das Militär seinen Machtanspruch geltend.

Der regierende Oberste Militärrat hat in Ägypten die Rechte des Parlaments übernommen. Dies ging in der Nacht zum Montag aus einer „Verfassungserklärung“ der Militärs hervor. Erst nach der Annahme einer neuen Verfassung solle es Neuwahlen geben.

Zuvor war die Stichwahl um die ägyptische Präsidentschaft am Sonntag um zwei Stunden verlängert worden. Die Wahllokale sollten demnach erst um 22.00 Uhr statt um 20.00 Uhr schließen, verfügte die ägyptische Wahlkommission. Dabei war der Andrang bei der zweitägigen Abstimmung am Wochenende eher bescheiden. Mit Ergebnissen wird nicht vor dem Mittwoch gerechnet.

In der von Zukunftsangst überschatteten zweitägigen Wahl am Wochenende traten der ehemalige Ministerpräsident Ahmed Schafik und der Kandidat der Muslimbruderschaft, Mohammed Mursi, gegeneinander an. Der Sieger der Wahl wird der fünfte Präsident Ägyptens seit dem Ende der Monarchie vor fast 60 Jahren.

Schafik gilt als Vertreter der alten Elite rund um Mubarak. Außerdem soll er dem regierenden Militärrat nahe stehen. Der ehemalige Luftwaffenoffizier hat versprochen, in Ägypten für Recht und Ordnung zu sorgen. Mursi repräsentiert die gemäßigten Islamisten und versteht sich als Kämpfer gegen eine Rückkehr des alten Regimes. Zuletzt hatte er im Wahlkampf den Schwerpunkt auf die Wirtschaft gelegt und weniger radikale Ansichten zu gesellschaftspolitischen Themen geäußert.

Der Stichwahl am Samstag und Sonntag ging eine dramatische politische Woche voraus. Das Verfassungsgericht löste wegen Unregelmäßigkeiten bei der Wahl das frei gewählte, von Islamisten dominierte Parlament auf. Damit liegen die legislativen Befugnisse nun beim Militärrat. Das Urteil hat die Unsicherheit über die politische Zukunft Ägyptens weiter geschürt.

Ob die Generäle ihr Versprechen halten werden, am 1. Juli die Verantwortung an den neu gewählten Präsidenten zu übertragen, ist nach wie vor unklar. Die Präsidentenwahl sollte den Vorgaben zufolge der letzte Schritt sein im Prozess der Machtübergabe an die zivilen Institutionen.

Einige Wähler äußerten sich pessimistisch und frustriert über die Abstimmung. Sie stimmten nicht für einen Kandidaten, sondern gegen den anderen, erklärten sie. Sie wollten entweder Schafik als Repräsentant des alten Systems verhindern oder befürchten zu starke islamistische Töne unter dem Muslimbruder Mursi. „Wir werden zu dieser Wahl gezwungen. Wir hassen sie beide“, sagte Sajed Seinhom vor einem Wahllokal im dicht besiedelten Kairoer Stadtteil Bulak el-Dakrur. Sein Begleiter Mahmud el-Fiki pflichtete ihm bei: „Ägypten ist verwirrt.“ Die Einzelhändler Nabil Abdel Fatah sagte vor einem Wahllokal im Arbeiterviertel Imbaba: „Die Revolution ist uns gestohlen worden.“ Er werde für Schafik stimmen. „Ihn werden wir leicht wieder los, wenn wir wollen. Aber die Bruderschaft wird sich an die Macht klammern“, erklärte er.

Der Kairoer Architekt Ahmed Saad el-Deen bezeichnete die Wahl als Farce und sagte: „Ich habe auf meinem Stimmzettel die Namen beider Kandidaten durchgestrichen und darüber geschrieben: 'Die Revolution geht weiter'.“ Eine junge Frau, Asmaa Fadil, erklärte, sie habe das Vertrauen in die Politik verloren, vor allem nach der Auflösung des Parlaments. „Ich vertraue der ganzen Sache nicht mehr. Ich habe das Gefühl, dass alles im Voraus geplant wurde und dass das, was wir jetzt tun, nur Teil des Plans ist“, sagte sie.

Die Wahllokale sollten am Sonntag bis 21 Uhr MESZ geöffnet sein. Erste Teilergebnisse werden am (morgigen) Montag erwartet. Mit dem amtlichen Endergebnis wird am Donnerstag gerechnet. (dapd/AFP)

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