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Nach Plagiatsaffäre: Böhmer hält Guttenberg-Rücktritt für möglich

"Ich weiß nicht, wie lange er das aushalten kann", sagte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Böhmer (CDU) dem Tagesspiegel. Der Druck von allen Seiten auf Verteidigungsminister Guttenberg wächst. Auch die Bundeswehr-Reform wird kritisiert.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) hält es für fraglich, dass Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) dem politischen Druck in der Affäre um seine Doktorarbeit auf Dauer Stand halten kann. In einem Interview mit Tagesspiegel (Sonntagausgabe) sagte Böhmer: „Es wird immer Menschen geben, die ihm die Fehler bei seiner Doktorarbeit  in der Öffentlichkeit genüsslich vorwerfen. Und ich weiß nicht, wie lange er das erträgt und aushalten kann. Ich hätte wahrscheinlich nicht die Kraft, das längere Zeit durchzuhalten.“

Zugleich betonte Böhmer, es sei „eine Frage der Redlichkeit“, dass man die Quellen angebe, wenn man längere Passagen anderer Texte in seine Doktorarbeit übernehme: „Ich halte das Verhalten des Doktoranden zu Guttenberg weder für legitim noch für ehrenhaft.“ Auf die Frage ob der Verteidigungsminister zurücktreten müsse, sollte die Universität Bayreuth bei der anstehenden Prüfung zu dem Schluss kommen, dass es sich bei Guttenbergs Arbeit um ein absichtsvolles Plagiat handele, sagte Böhmer: „Das muss Karl-Theodor zu Guttenberg ganz allein entscheiden.“ Die politische Arbeit eines Ministers dürfe „nicht allein aus einem einmaligen menschlichen Verhalten heraus“ beurteilt werden.

Derweil wird die Empörung in der Wissenschaft immer größer. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft verurteilte das Kopieren fremder Texte ohne Hinweis in Guttenbergs Doktorarbeit. Die SPD legte Guttenberg erneut den Rücktritt nahe. In der Union gibt es neben Unterstützung auch Zweifel.  Der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), Matthias Kleiner, warnte dem Tagesspiegel gegenüber vor der Verharmlosung von Plagiaten als Kavaliersdelikt. „Wissenschaftler teilen ihre Ideen und Erkenntnisse, sie führen sie gemeinsam weiter, aber sie entwenden sie nicht“, sagte er. Der Nachfolger von Guttenbergs Doktorvater Peter Häberle legte mit scharfer Kritik nach. „Der Minister leidet unter Realitätsverlust“, sagte der Bayreuther Staatsrechtsprofessor Oliver Lepsius der „Süddeutschen Zeitung“ (Samstag), nachdem er bereits im Tagesspiegel gesagt hatte: „Wir sind einem Betrüger aufgesessen." Es sei eine Dreistigkeit ohnegleichen, wie er honorige Personen der Universität hintergangen habe. Guttenberg habe „planmäßig und systematisch“ wissenschaftliche Quellen zum Plagiat zusammengetragen und behaupte nicht zu wissen, was er tue.

Mehrere Juristen gehen davon aus, dass Guttenberg bei der Verwendung fremder Texte mit Vorsatz gehandelt hat. „Ich würde einem Kandidaten nicht glauben, der in so einem Fall behauptet, dass es bloße Fahrlässigkeit war“, sagte der Kölner Strafrechtsprofessor Thomas Weigend dem „Spiegel“. Der auf Streitfälle bei Examensarbeiten spezialisierte Rechtsanwalt Michael Hofferbert erklärte im Magazin: „Kein Richter wird einem Kandidaten glauben, der über hundert Seiten seiner Doktorarbeit abschreibt und hinterher behauptet, er habe dies versehentlich getan.“  

Offener Brief an die Kanzlerin

Guttenberg hatte „gravierende Fehler“ in seiner Dissertation eingeräumt, wissentliches Tun aber bestritten. Die Universität Bayreuth erkannte seinen Doktortitel ab und prüft derzeit, ob er vorsätzlich handelte.

SPD-Chef Sigmar Gabriel geht von Vorsatz aus und legte Guttenberg erneut einen Rücktritt nahe. „Würde er zurücktreten, könnte er in einigen Jahren seine Karriere fortsetzen. So bleibt er für immer beschädigt“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Für Linksfraktionsvize Dietmar Bartsch verdichten sich die Vorwürfe bewusster Täuschung. „Guttenbergs Verteidigungsstrategie bricht zusammen.“  

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) traut Guttenberg dagegen noch viel zu. Guttenberg habe „noch eine lange, große Laufbahn“ vor sich, sagte Schäuble dem Nachrichtenmagazin „Focus“. „Mein junger Kollege wird sich wieder erholen.“ Die Affäre werde sich erledigen.

In einem offenen Brief an Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigen sich zahlreiche Doktoranden empört darüber, dass Merkel gesagt hatte, sie habe keinen wissenschaftlichen Mitarbeiter eingestellt. Sie sprachen von Verhöhnung ehrlicher Doktoranden.

Kanzleramt sieht Bundeswehrreform kritisch

Nach Recherchen des "Spiegel" wird nun auch Guttenbergs Bundeswehrreform kritisch gesehen. Das Kanzleramt sieht nach einem Bericht des Magazins „Spiegel“ die Pläne von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) für die Reform der Bundeswehr kritisch. Die vom Verteidigungsministerium vorgelegten Eckpunkte seien eine „nur sehr rudimentäre und unausgewogene Grundlage für Entscheidungen zur Reform der Bundeswehr“, heißt es dem Blatt zufolge in einem vierseitigen Vermerk des Kanzleramts vom Dezember. So fehlten Aussagen dazu, welche strategischen Zielsetzungen die neue Bundeswehr erfüllen solle.

Das Kanzleramt kritisierte laut „Spiegel“ auch, Guttenberg reduziere „politisch unzulässig“ die Kosten der Reform auf den Personalumfang der Truppe, statt auch auf die „Notwendigkeit der Finanzierung von Fähigkeiten und Einsätzen“ einzugehen. Ferner werde das Ausmaß des „finanziellen Mehrbedarfs gegenüber den Einsparzielen“ gar nicht erwähnt. Das Kanzleramt verlangte demnach eine Neuformulierung der Eckpunkte.

Nach den bisherigen Sparvorgaben der Regierung sollten im Verteidigungsetat bis 2014 insgesamt 8,3 Milliarden Euro eingespart werden. Inzwischen will das Bundesfinanzministerium die Frist dafür bis 2015 verlängern. Der FDP-Finanzexperte Otto Fricke forderte Finanzminister Wolfgang Schäuble in der „Frankfurter Rundschau“ vom Samstag auf, diese Lockerung des Sparziels wieder zurückzunehmen. Das Einhalten der Vorgaben sei für Guttenberg „eine Frage der persönlichen Glaubwürdigkeit“ sagte auch der FDP-Finanzpolitiker Volker Wissing der „FR“.

Schäuble verteidigte im Magazin „Focus“ sein Vorgehen: „Wir müssen das tun, was sicherheitspolitisch notwendig ist.“ Unterstützung für seine Forderung nach zusätzlichen finanziellen Mitteln erhielt Guttenberg von Unionsfraktionschef Volker Kauder.

„Der Umbau der Bundeswehr ist keine gewöhnliche Reform. Dazu braucht der Minister einen gewissen Spielraum“, sagte der CDU-Politiker der „Rheinischen Post“ vom Samstag. (Tsp/dpa/AFP)  

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