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Der in der Nacht als Geisel genommene Generalstabschef Hulusi Akar, Ministerpräsident Binali Yildirim und Innenminister Efkan Ala (v.l.n.r.) am Samstagvormittag bei einer Pressekonferenz in Ankara.

© REUTERS

Nach Putschversuch in Türkei: Regierung: "Haben Lage vollständig unter Kontrolle"

Ministerpräsident Yildirim bezeichnete den Umsturzversuch als "Schandfleck für die türkische Demokratie". Mehr als 260 Menschen wurden offenbar getötet, mehr als 1440 wurden verletzt.

Nach dem Putschversuch in der Türkei hat die Regierung nach eigenen Angaben wieder die volle Macht im Land übernommen. Die Lage sei "vollständig unter Kontrolle", sagte Ministerpräsident Binali Yildirim am Samstag. Bei schweren Gefechten wurden in der Nacht mehr als 260 Menschen getötet. Mehr als 2800 Armeeangehörige wurden als mutmaßliche Putschisten festgenommen. Präsident Recep Tayyip Erdogan forderte die Bevölkerung auf, wachsam zu bleiben.

Eine Gruppe von Militärs hatte am Freitagabend verkündet, die Macht in der Türkei übernommen zu haben. Die Putschisten riefen das Kriegsrecht aus und verhängten eine Ausgangssperre. In Ankara und Istanbul kam es zu schweren Gefechten. Dabei wurden laut Yildirim 161 Zivilisten und Sicherheitskräfte getötet. Nach Angaben des Militärs wurden außerdem 104 Putschisten getötet. Damit erhöht sich die Zahl der Toten auf mindestens 265.

Mehr als 1440 Menschen wurden verletzt, wie Yildirim in Ankara mitteilte. Er bezeichnete den Putschversuch als einen "Schandfleck für die türkische Demokratie". Der amtierende Armeechef Ümit Dündar drohte den Gegnern der Regierung in den Streitkräften mit harter Vergeltung. Dündar war von der Regierung als kommissarischer Generalstabsschef eingesetzt worden, nachdem Putschisten Armeechef Hulusi Akar vorübergehend in ihre Gewalt gebracht hatten.

Der türkische Ministerpräsident Yildirim sagte, die Todesstrafe sei in der Verfassung zwar nicht vorgesehen. Die Türkei werde aber Gesetzesänderungen erwägen, um sicherzustellen, dass sich ein Putschversuch nicht wiederholen könne.

Erdogan warnt vor "Wiederaufflammen"

Erdogan machte die Anhänger des islamischen Predigers Fethullah Gülen für den Umsturzversuch verantwortlich und drohte, sie würden "einen hohen Preis für diesen Verrat zahlen". Gülen wies die Anschuldigung vehement zurück und verurteilte den Putschversuch.

Erdogan forderte die Bevölkerung auf, auf der Straße zu bleiben. Es müsse mit einem "Wiederaufflammen" des Aufstands gerechnet werden, warnte er im Kurzbotschaftendienst Twitter. In der Nacht zum Samstag hatten in den größeren Städten des Landes tausende Menschen gegen den Putschversuch protestiert.

An einer der beiden teilweise gesperrten Bosporus-Brücken in Istanbul eröffneten Soldaten in der Nacht das Feuer auf demonstrierende Regierungsanhänger. Ein AFP-Fotograf sah dutzende Verletzte. Auch auf dem Taksim-Platz schossen Soldaten auf Gegner des Putschversuchs, hier gab es ebenfalls Verletzte.

Im Zentrum von Ankara waren heftige Explosionen und Schüsse zu hören, während Kampfflugzeuge und Militärhelikopter über der Stadt kreisten. Medienberichten zufolge wurde das Parlament aus der Luft angegriffen. Ministerpräsident Yildirim wies die regierungstreuen Streitkräfte an, die Flugzeuge und Hubschrauber in den Händen der Putschisten abzuschießen.

Auch am Samstag Gefechte in Ankara und Istanbul

Am Morgen waren weiterhin vereinzelte Feuergefechte in Ankara und Istanbul zu hören. Regierungstreue Kampfjets schossen ein von Putschisten gekapertes Kampfflugzeug ab. Am Samstagmorgen griffen Kampfjets Panzer der Putschisten an, die am Präsidentenpalast in Ankara aufgefahren waren.

Erdogan hielt sich zu diesem Zeitpunkt in Istanbul auf. Er hatte seinen Urlaub am Mittelmeer abgebrochen und flog zum Atatürk-Flughafen in der Bosporus-Metropole, wo er von jubelnden Anhängern empfangen wurde. Der Staatschef warf den Putschisten vor, kurz nach seiner Abreise sein Hotel in Marmaris bombardiert zu haben.

International wurde der Putschversuch scharf verurteilt. US-Präsident Barack Obama stellte sich hinter Erdogan und forderte ein Ende des Blutvergießens. Auch die Bundesregierung und die EU sicherten der Regierung in Ankara ihre Unterstützung zu. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) rief den Krisenstab der Bundesregierung zusammen, wie aus dem Auswärtigen Amt verlautete.

Auch der russische Außenminister Sergej Lawrow äußerte sich besorgt. Der Konflikt in der Türkei stelle ein Risiko für die "internationale und regionale Stabilität dar", erklärte er. (AFP)

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