zum Hauptinhalt
Rauchwolken über der Hauptstadt.

© Reuters

Update

Nach Raketeneinschlag: Großfeuer bedroht libysche Hauptstadt Tripolis

Nach einem Raketeneinschlag stehen zwei Treibstofftanks in Tripolis in Flammen. Libyen droht eine Katastrophe. Das Auswärtige Amt hat sein Botschaftspersonal bereits abgezogen.

Die Feuerwehrleute mussten aufgeben, die gigantische Flammenbrust war nicht zu bändigen. „Die Lage ist außer Kontrolle, jetzt muss Allah uns gnädig sein“, erklärte am Montagabend ein Sprecher der staatlichen „National Oil Corporation (NOC)“. Eine Stunde zuvor hatten bewaffnete Milizen im gigantischen Treibstofflager der libyschen Hauptstadt Tripolis den zweiten Benzintank mit sechs Millionen Litern in Brand geschossen. Ein erster Großkessel, dessen dicke, schwarze Rauchsäule sogar auf Satellitenbildern gut zu sehen ist, war bereits am Abend zuvor von einer Rakete getroffen worden. Sollten die hunderte Meter hoch lodernden Flammen am Ende auf das gesamte Areal mit 90 Millionen Liter Benzin, Diesel und Gas übergreifen, „besteht das Risiko einer gigantischen Explosion, die alles im Radius von drei bis fünf Kilometern zerstört“, warnte die NOC.

"Tripolis droht eine humanitäre und ökologische Katastrophe"

In Panik appellierte Libyens Premierminister an das Ausland, Löschflugzeuge und Spezialistenteams zu schicken, erste Gespräche mit Italien und Malta haben offenbar inzwischen stattgefunden. „Tripolis droht eine humanitäre und ökologische Katastrophe mit unabsehbaren Folgen“, warnte die Regierung auf ihrer Website und beschwor alle Bewohner im Umkreis von fünf Kilometern, ihre Häuser so schnell wie möglich zu verlassen. Im Umfeld der brennenden Kessel dagegen wurde weiter gekämpft, auf einem Video von Löscharbeiten sind mehrmals Schüsse in der Nähe zu hören.

Libyens Flughäfen jedoch, über die internationale Hilfe hereinkommen könnte, sind seit zwei Wochen geschlossen. Besonders schwer beschädigt ist der Airport von Tripolis, der quasi zum Symbol des galoppierenden Staatszerfalls geworden ist. Die Landebahn ist durch Artillerieduelle zerfetzt, ausgebrannte Passagiermaschinen liegen auf dem Rollfeld, Kontrolltower und Empfangsgebäude wurden durch Granaten schwer beschädigt. Allein letzte Woche kamen mehr als hundert Menschen ums Leben. 400 wurden bei diesen blutigsten Gefechten seit dem Sturz von Diktator Muammar Gaddafi verletzt.

Zahlreiche westliche Botschaften, darunter auch Deutschland, evakuierten ihr Personal über den Landweg nach Tunesien, nachdem die Gefechte vor allem im Umkreis der amerikanischen Botschaft pausenlos geworden waren. Der britische Konvoi wurde auf dem Weg zur Grenze angegriffen und beschossen, die Diplomaten konnten jedoch unverletzt entkommen. Kairos Regierung rief ihre Landsleute auf, Libyen sofort zu verlassen und „sich vor dem chaotischen inneren Kämpfen in Sicherheit zu bringen“.

Dutzende Tote bei Kämpfen in Benghazi

Auch in der Osthälfte des ölreichen Mittelmeeranrainers gingen am Wochenende die schweren Auseinandersetzungen weiter. In Benghazi wurden mindestens 55 Menschen getötet. Vor allem seit dem Auftreten des abtrünnigen Generals Khalifa Haftar vor drei Monaten, der die Macht der Islamisten mit Gewalt zu brechen versprach, ist die Lage eskaliert. Haftar agiert von einer streng bewachten Kaserne in Benghazi aus, die auch über Kampfjets verfügt. Die radikal-islamische Ansar al-Sharia Miliz wiederum hält sich in verschiedenen Stadtvierteln verschanzt. Keine der beiden Seiten konnte bisher die Oberhand gewinnen.

„Die Lage hat ein kritisches Stadium erreicht“, warnten Diplomaten der Arabische Liga, der Europäische Union und der USA in einer gemeinsamen Erklärung in Brüssel. Denn die wirklichen Herren in Libyen sind längst die Chefs der etwa 1700 Milizen, die über 200.000 Bewaffnete kommandieren. Politische Morde häufen sich ebenso wie Entführungen gegen Lösegeld. Ende letzten Monats wurde in Benghazi die säkulare Bürgerrechtlerin Salwa Bughaighis vor ihrem Haus ermordet, die im Februar 2011 als einzige Frau im ersten Nationalen Übergangsrat der Aufständischen saß. Ihre drei Kinder blieben unverletzt. Von ihrem Mann, den die islamistischen Täter entführten, fehlt weiterhin jede Spur.

Zur Startseite