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Politik: Nach Riester-Rente die Riester-Pflege?

Auch in der Union Sympathien für höhere Beiträge – dafür Nachlass in der Arbeitslosenversicherung

Berlin - Ulla Schmidt hat sich bereits festgelegt: Ohne Beitragsanstieg, so ließ die Gesundheitsministerin wissen, keine Pflegereform. Sie begründet das mit einer Binsenweisheit: Für mehr Leistungen, die auch nötig seien, müsse man auch mehr Geld bereitstellen. Allerdings werde die Belastung „überschaubar“ bleiben. Auch in der SPD-Führung geht man fest von einem Beitragsanstieg aus. Er werde etwa 0,3 Prozentpunkte betragen, heißt es auffälllig unaufgeregt, als sei die Sache schon beschlossen. Insgesamt wären das dann zwei Prozent für Menschen mit Kindern und 2,25 Prozent für Kinderlose.

Eine Rechnung ohne die Union, die sich doch immer als Kämpferin für niedrigere Lohnnebenkosten geriert hat? Nicht ganz. Verbraucherminister Horst Seehofer (CSU), der mit Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) und Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) seit Wochen über die Reform berät, rät ebenfalls dazu, bei den Pflegebeiträgen 0,2 bis 0,3 Punkte draufzusatteln. Schließlich will er nicht, dass sich andere in der Union mit einer Idee durchsetzen , die von den Arbeitnehmern allein bezahlt werden müsste. Er habe 2004 doch nicht seine politische Karriere wegen seines Widerstands gegen eine Kopfpauschale in der Krankenversicherung unterbrochen, um diese Pauschale jetzt in der Pflegeversicherung zu realisieren, schimpft der CSU-Vize.

Auch die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA) sieht die Lösung in einer Beitragserhöhung. Sogar in einer recht saftigen. Nach Tagesspiegel-Informationen befinden die Mitglieder an diesem Wochenende bei ihrer Bundestagung in Karlsruhe über einen Initiativantrag aus Hessen und Baden-Württemberg, wonach der Pflegebeitrag um 0,8 Prozentpunkte steigen soll. Allerdings sollen Rentner von dieser Erhöhung ausgenommen sein. Und im Gegenzug müsste der Arbeitslosenbeitrag um einen ganzen Prozentpunkt sinken – was aus CDA-Sicht durchaus denkbar wäre.

Unterm Strich würden die Lohnzusatzkosten also abgesenkt, trotz der geforderten Beitragserhöhung für die Pflegekassen. Dass die Prognosen der SPD für nötige Beitragserhöhungen niedriger sind als die der CDA, liegt schlicht daran, dass die Genossen noch hoffen, sich das Geld für die vereinbarte Kapitalreserve von den Privatkassen holen zu können – was die Union wiederum unter allen Umständen verhindern möchte.

Für die Reform benötige man runde sieben Milliarden Euro, rechnet CDU-Experte Willy Zylajew vor – was in etwa 0,7 Beitragssatzpunkten entspricht. 1,5 Milliarden seien für die Mitversorgung von Demenzkranken und „mindestens 500 Millionen“ für die Dynamisierung der Pflegeleistungen nötig. Beides habe man den Wählern versprochen. Auch das Defizit, das im vergangenen Jahr eine Milliarde betragen habe, müsse man „wegarbeiten“. Und schließlich habe man den Aufbau einer Demografiereserve vereinbart. Hier brauche man vier Milliarden, „um etwas Spürbares hinzubekommen“, sagt Zylajew. In 20 Jahren käme man so auf 6100 Euro pro Bundesbürger. Nachdem etwa jeder vierte Pflegeleistungen in Anspruch nimmt, stünden dann pro Fall 24 000 Euro zur Verfügung. Die durchschnittliche Pflegezeit beträgt im Schnitt 21 Monate. Pro Monat brächte diese Reserve den Bedürftigen folglich im Monat etwas mehr als 1000 Euro zusätzlich.

Höhere Pflegebeiträge bei gleichzeitiger Senkung der Arbeitslosenbeiträge seien für die Union denkbar, bestätigt Zylajew. Allerdings wäre ihm – „man kann ja nie wissen, wie sich die Löhne entwickeln“ – eine staatlich geförderte private Zusatzversicherung lieber. Anders als die Riesterrente müsse sie aber verpflichtend sein und auch Hartz-IV-Empfängern e personenbezogene Beiträge zugestehen.

Zylajew rennt damit offene Türen ein. Ulla Schmidt hat bereits bestätigt, dass sie mit Seehofer und von der Leyen auch über eine „Riester-Pflege“ nachdenkt. Anfang Juli, beim nächsten Koalitionsausschuss, soll ihr Konzept auf den Tisch kommen.

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