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Die Linke fordert "Abziehen statt aufstocken". Immer mehr Menschen in Deutschland stimmen dieser Forderung zu.

© ddp

Nach Überfall: Afghanistan-Mission: Die Zweifel wachsen

Nach dem Tod von vier Bundeswehrsoldaten beginnt in der Bundespolitik eine neue Debatte darüber, ob das bisherige Mandat der Bundeswehr der neuen Lage und Strategie in Afghanistan noch gerecht wird. 70 Prozent der Deutschen wollen einen schnellen Abzug der Soldaten.

Es war zu erwarten. Nur kurz überwogen am gestrigen Donnerstag das Entsetzen und die Trauer über den neuen tödlichen Zwischenfall beim Bundeswehreinsatz in Afghanistan. Viel Zeit zum Innehalten nahm sich die Politik jedoch nicht. Schon einen Tag nach dem Tod von vier Bundeswehrsoldaten gewinnt die Debatte über den Bundeswehreinsatz in Afghanistan nun eine neue Dynamik.

Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte Verständnis für Zweifel in der Bevölkerung. Sie wisse, dass viele Menschen sich fragten, ob dieser Einsatz richtig sei, sagte Merkel, am Rande eines Besuches der Stanford Universität in Kalifornien. Gleichzeitig betonte die Kanzlerin jedoch, sie stehe "ganz bewusst" hinter dem Einsatz. Afghanistan müsse stabilisiert werden, damit das Land "selbst für seine Verantwortung sorgen kann".

Bei einer Patrouillenfahrt war die Bundeswehr am Donnerstag hundert Kilometer südlich von Kundus in einen Hinterhalt der Taliban geraten. Vier Bundeswehrsoldaten wurden bei dem Beschuss der Fahrzeuge getötet, fünf zum Teil schwer verletzt. In der deutschen Bevölkerung wächst nun erneut die Ablehnung des Einsatzes. Nach einer Blitzumfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap im Auftrag der ARD, erklärten 70 Prozent der Befragten am Donnerstag, die Bundesregierung solle die deutschen Soldaten so schnell wie möglich aus Afghanistan abziehen.

Rückhalt an der Heimatfront schwindet

Natürlich sind solche Umfragen unmittelbar nach einem solchen tödlichen Zwischenfall sehr emotional geprägt. Aber es ist nicht zu übersehen, mit jedem tödlichen Zwischenfall wird den Deutschen die Brisanz des Einsatzes der Bundeswehr mehr bewusst, der Rückhalt an der Heimatfront schwindet. Der Druck auf die Bundeswehr und auf die Bundesregierung in Sachen Afghanistan wächst.

Der scheidende Wehrbeauftragte des Bundestages Reinhold Robbe schätzt die Stimmung bei den deutschen Soldaten in Afghanistan zumindest kurzfristig anders ein. Dort werde sich nun eine "Jetzt-erst-recht-Stimmung" breit machen, sagte Robbe im ARD-Morgenmagazin. Langfristig jedoch sei dieser Einsatz nur darstellbar, so der SPD-Politiker, "wenn sich die Gesellschaft damit inhaltlich auseinander setzt" und den Soldaten mehr Empathie entgegenbringe". Doch statt Empathie begegnen dem Bundeswehreinsatz immer mehr Zweifel. Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Frank-Walter Steinmeier erklärte im ARD-Morgenmagazin, "wir können nicht einfach so weitermachen wie bisher" und fügte hinzu, "die Weichen müssen auf eine Beendigung des Einsatzes gestellt werden". Es müsse darüber nachgedacht werden, so Steinmeier, "wann der Einsatz zu einem Ende kommen kann". Dieses Nachdenken sei Bestandteil des Mandats der Bundeswehr in Afghanistan, so der ehemalige Außenminister und er erwarte, "dass sich die Bundesregierung an das Mandat hält".

An der offiziellen Legitimation des Einsatzes gibt es Kritik

Die Frage, ob Einsatz der Bundeswehr am Hindukusch noch durch das ISAF-Mandat gedeckt ist, oder ob angesichts der veränderten Lage am Hindukusch ein neues Mandat notwendig sei, wird in der Politik zunehmend diskutiert. Kanzlerin Merkel sagt nein, ein neues Mandat sei nicht notwendig. Auch der Wehrbeauftragte Robbe erklärt, die neue Strategie der Bundeswehr in Afghanistan lasse sich unter dem bestehenden ISAF-Mandat subsumieren, "das Mandat deckt die Notwendigkeiten ab". Dabei hatte der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel vor allem auf die veränderte Rhetorik der Bundesregierung reagiert, als er diese zu Beginn der Woche aufgefordert hatte, um ein neues Mandat zu bitten, wenn sie den Einsatz mittlerweile als Krieg bezeichne. Doch aus der semantischen Debatte ist längst eine politische geworden.

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hatte bereits nach dem Tod von drei Bundeswehrsoldaten an Karfreitag eingeräumt, man könne zumindest "umgangssprachlich" von Krieg sprechen. Offiziell jedoch unterstützt die Bundeswehr in Afghanistan im Rahmen des ISAF-Mandates und im Auftrag der Vereinten Nationen die afghanische Regierung dabei, die Sicherheit und Ordnung im Lande aufrechtzuerhalten. Doch an der offiziellen Legitimation des Einsatzes gibt es Kritik, seit die Bundeswehr immer häufiger in kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt wird.

Unterdessen ist zu Guttenberg nach Afghanistan zurückgekehrt. Er hatte sich schon auf dem Heimweg von einem Truppenbesuch befunden, war aber umgekehrt, als ihn die Meldungen über die tragischen Ereignisse erreichten. Er wolle sich vor Ort "ein Lagebild geben lassen", sagte zu Guttenberg in Afghanistan, er spüre "große Betroffenheit" und sei "in Gedanken bei den Familien der Gefallenen".

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