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Nachbarn: Grenzüberschreitende Turbulenzen

Im Verhältnis zur Schweiz knirscht es: Südbaden ärgert sich über Zürcher Fluglärm und Merkel will das erste Mal über das Bankgeheimnis reden.

Wird die Schweiz sich ihr Bankgeheimnis abhandeln lassen? Wird sie es wenigstens aufweichen, um deutschen Steuerfahndern zu helfen? Das ist wohl die spannendste Frage zum heutigen Staatsbesuch von Angela Merkel bei Amtspartner Pascal Couchepin. Schweizer Banker erwarten, dass sie auf jeden Fall gestellt wird, und Regierungssprecher Ulrich Wilhelm hat es am Montag auch angekündigt.

Deutsche Staatsbesuche in der Schweiz sind eigentlich Routine, schließlich verbindet die beiden Länder eine langjährige Freundschaft. Diesmal aber geht es um Themen, die durchaus strittig sind – und um eine Menge Geld.

Den Schweizern geht es vor allem darum, der festgefahrenen Flughafenaffäre einen Schubs zu versetzen. Dabei dreht es sich um die Anflugrechte auf den Flughafen Zürich-Kloten. Der liegt nur 15 Kilometer südlich der deutschen Grenze, und weil die beiden hauptsächlich genutzten Landebahnen nach Norden ausgerichtet sind, verlaufen 80 Prozent der Flugbewegungen über deutschem Gebiet, wo empörte Anwohner, vor allem die rund 750 Anwohner des Dorfes Hohentengen im Landkreis Waldshut, seit Jahren Krach schlagen gegen den Krach. In der Folge hat Deutschland die sogenannte Durchführungsverordnung (DVO) erlassen. Die verbindet ein recht ausgedehntes Nachtflugverbot mit einer Einschränkung der Anflüge von Norden her.

Was ein einzelner südbadischer Landkreis zustande gebracht hat, ist für die Schweiz zur nationalen Angelegenheit geworden. Der Flughafen ist ihr wichtigstes Tor zur Welt. Und er soll wachsen. Mehr als 400 Millionen Schweizer Franken investiert die Betreiberfirma Unique in den nächsten Jahren. Mittelfristig soll die Zahl der An- und Abflüge von zurzeit 270 000 auf 400 000 steigen – gleichzeitig betont Unique vorsichtshalber, dass die Hauptlast des Lärms ja sowieso schon die Schweizer trügen. Lärmkarten zeigen auch, dass die Belastung auf deutscher Seite die 50 Dezibel nicht überschreitet, was rund zehn Dezibel unterhalb der offiziellen Grenzen liegt.

Aber Lärm ist nun einmal subjektiv, und es ist ein emotionales Thema. So stecken die Verhandlungen seit Jahren in einem Stellungskrieg der Argumente fest, und aus einer „Provinzposse“ ist eine hochoffizielle „Klimaaffäre“ geworden, deren Kitt aus den Kränkungen von Jahrzehnten besteht. Der Streit ist ein Paradebeispiel dafür, welch massive Folgen es haben kann, die Bedürfnisse von Bürgern, und seien es noch so wenige, zu übergehen. Im Waldshuter Landkreis kursieren eine Menge Geschichten über Schweizer Behördenmitarbeiter, die in Gemeindeversammlungen „eiskalt“ verkündet haben, sich an Vereinbarungen sowieso nicht halten zu wollen. Manche dieser Geschichten sind 15 Jahre alt. 2003 sollte dann ein Staatsvertrag Regelungen festschreiben. Weil der aber eine Deckelung der Flugbewegungen über Deutschland vorsah, ratifizierte die Schweiz ihn nicht.

Die Schweizer erkennen an, wie „verkachelt“ die Situation ist. Sie haben sich in letzter Zeit mehrfach für die „Fehler der Vergangenheit“ entschuldigt, meinen aber, nun müsse man endlich nach vorne schauen. Sie verweisen auf die Tatsache, dass der Raum um den Flughafen doch eine gemeinsame Wirtschaftszone sei, vor allem aber darauf, dass die drei größten Fluggesellschaften, die über Kloten an- und abfliegen, mittlerweile deutsche sind: Swiss, Lufthansa und Air Berlin.

Die bisherigen Schweizer „Paketlösungen“ sahen vor, eine Lockerung der deutschen Anflugregelungen zum Beispiel mit einer Autobahn über Schweizer Gebiet zu belohnen oder mit Erleichterungen im Grenzverkehr. Diese Angebote seien aber nicht ausreichend, heißt es von deutscher Seite. „Wir sehen das so, dass die Schweiz versucht, uns dazu zu überreden, mehr Fluglärm zu übernehmen.“

Nun, nach der Steueraffäre um Liechtenstein, ist erstmals die Möglichkeit eines Geschäfts auf Gegenseitigkeit aufgetaucht – und die wehrhaften Waldshuter könnten das Nachsehen haben. In der Schweiz ist Steuerhinterziehung nur eine Ordnungswidrigkeit, und so machen Rechtslage und Bankgeheimnis es den Steuerfahndern schwer. Ginge das anders? Nein, hat Michael Ambühl, Staatssekretär im Berner Außenministerium, gerade gesagt. Aber Deutschland will ja auch über die Anflugrechte nicht mit sich handeln lassen. Bisher.

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