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Alles vorbei. Der grüne Nachwuchs wird wenig gefördert.

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Nachwuchsprobleme?: Die grünen Panther: Im Durchschnitt 50+

Viele Spitzenleute der Partei sind deutlich älter als 50 Jahre. Der Nachwuchs widmet sich lieber der Landespolitik. Haben die Grünen es versäumt, ihren Nachwuchs aufzubauen?

Von Sabine Beikler

Werner Winkler ist Chef des 30-köpfigen grünen Ortsverbands Waiblingen. Lange hat sich der Autor und Coach im Ländle bei jungen Grünen umgeschaut, ob sich jemand als Spitzenkandidat aufstellen würde. „Mein Eindruck ist: Die haben Muffe oder wollen alle noch Karriere in der Partei machen“, sagt er. Der 48-jährige Schwabe tritt jetzt selbst als einer von sechs für die Spitzenkandidatur bei der Bundestagswahl 2013 an. Primär sei er angetreten, um eine Urwahl und eine Entscheidung der Basis durchzusetzen. Doch die Frage, warum die Grünen-Spitze keinen Generationenwechsel vollzieht, treibt nicht nur ihn in der 59 000 Mitglieder starken Partei um.

Die Generation „Ü 50“ ist in der Kandidatenlage in der Überzahl. Fraktionschef Jürgen Trittin ist 58, Parteichefin Claudia Roth 57, Fraktionschefin Renate Künast 56 und der Kommunalpolitiker Franz Spitzenberger aus dem Oberallgäu 63. Neben Winkler vertritt die Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt mit 46 Jahren die Generation unter 50. Haben die Grünen es versäumt, ihren Nachwuchs aufzubauen?

Viele Spitzenpolitiker aus den Ländern äußern sich dazu nicht offen. Aber ihnen ist allen gemein, was Antje Hermenau ausspricht. „In den Ländern haben wir Jüngeren in der Partei uns etwas aufgebaut. Das geben wir doch so schnell nicht wieder auf“, sagt die 48-jährige Grünen-Fraktionschefin aus Sachsen. Bis 2004 war sie zehn Jahre lang Bundestagsabgeordnete, gab ihr Mandat jedoch auf, um nach dem Wiedereinzug der sächsischen Grünen in den Landtag in die Landespolitik zu wechseln. Hermenau ist wie der grüne Fraktionschef im hessischen Landtag, Tarek Al-Wazir, Mitglied des Parteirats. Mit zwölf Amtsjahren ist Al-Wazir, 41, inzwischen der dienstälteste grüne Fraktionschef. Unter Rot-Grün in Hessen sollte er 2008 Umweltminister werden, doch die geplante Duldung durch die Linke platzte. Bei den vorgezogenen Neuwahlen brachte er seine Partei mit 13,7 Prozent wieder in den Landtag – so gut schnitt die Partei sonst in einem Flächenland fast noch nie ab. Al-Wazir gehört zu der Generation von Grünen, die nicht mehr um jeden Preis nach Berlin streben. Hermenau sagt: „Die Erneuerung der Grünen kommt aus den Ländern. Wir haben in den Ländern unseren Kurs der Eigenständigkeit aufgebaut.“

Der gilt seit 2009 und wird auch von anderen Landespolitikern wie zum Beispiel Robert Habeck hochgehalten. Der 42-Jährige ist seit der Landtagswahl 2012 in Schleswig-Holstein stellvertretender Ministerpräsident und Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und Ländliche Räume im Kabinett von Torsten Albig. Als er 2008 als Nachfolger von Parteichef Reinhard Bütikofer im Gespräch war, lehnte er ab – mit Verweis auf seine in Schleswig-Holstein lebende Familie. Auch Boris Palmer gehört mit 40 Jahren zu der „jüngeren“ in den Ländern aktiven Grünen-Generation. Seit 2006 ist er grüner Oberbürgermeister in Tübingen, mischt sich in die aktive Politik ein und gehört auch zum Parteirat. Aber Ambitionen, nach Berlin zu wechseln, hat auch er nicht.

Die Rücksicht auf Familie und Job und der „Bruch mit der Schröder-Fischer- Rambo-Attitüde“, wie ein Spitzenmann in Erinnerung an Rot-Grün im Bund sagt, kennzeichnet diese Generation. Dass man bei den Grünen fast nur Karriere über den Einstieg in die Bundestagsfraktion machen kann, ist in der Partei kein Geheimnis. Und dass „die Macht einem nicht gegeben wird“, wie Hermenau sagt, ist auch in der Fraktion bekannt. „Die muss man gewinnen“, sagt eine Grüne. Immerhin gelten Abgeordnete wie Kerstin Andreae, 43, oder Ekin Deligöz, 41, stellvertretende Fraktionsvorsitzende, als potenzielle Nachrückerinnen der amtierenden Fraktionsvorsitzenden.

Ein Abgeordneter sagt: „Der Generationenwechsel wird sich spätestens mit der Wahl einstellen.“ Unter Rot-Grün seien Trittin und Künast ministrabel. Und bei Nicht-Regierungsbeteiligung seien die beiden „wohl weg vom Fenster“. Den Wahlkampf aber solle man mit den „bekannten Alten“ machen. Trittin, Künast, Parteichefin Roth – die würden „die Leute wenigstens kennen“.

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