zum Hauptinhalt

Politik: Nächstes Ziel Bethlehem

Nach dem Rückzug von Israels Armee aus dem nördlichen Gaza-Streifen mehren sich die Hoffnungszeichen

Von Charles A. Landsmann,

Tel Aviv

War das nun ein Grund zur Hoffnung oder nicht? Zwar hielt am ersten Tag die „Hudna", die zeitlich begrenzte Waffenruhe der drei wichtigsten palästinensischen Extremistengruppen. Doch nicht alle Terrorzellen hielten sich daran. Bis Montagmittag herrschte absolute Ruhe. Doch dann fielen bei dem palästinensischen Dorf Jabed im Westjordanland Schüsse, die ein erstes Todesopfer forderten: Ein beim Bau einer israelischen Umgehungsstraße um palästinensische Ortschaften beschäftiger bulgarischer Gastarbeiter wurde in seinem Lastwagen durch Kopfschüsse ermordet. Ein Kommando der „Al-Aksa-Brigaden" der Fatah-Bewegung aus dem nahe gelegenen Flüchtlingslager Dschenin übernahm die Verantwortung. Am Montagnachmittag erklärte dann der bewaffnete Arm der Fatah-Bewegung von Palästinenserpräsident Jassir Arafat, dass sich auch die Al-Aksa-Brigaden der Waffenstillstandserklärung der anderen Palästinensergruppen anschließen wollen.

Zuvor hatte sich am Sonntagabend die israelische Armee vollständig aus Beit Hanun im nördlichen Gaza-Streifen zurückgezogen und der palästinensischen Polizei die Kontrolle übergeben. Israels Armee öffnete am Montagmorgen auch die Überlandstraße, die von Norden nach Süden durch den gesamten Gaza-Streifen verläuft, für den palästinensischen Verkehr.

Kaum war die Waffenruhe der palästinensischen Extremisten offiziell verkündet, da kamen bei den Israelis am Sonntag erste Zweifel auf. Denn unmittelbar nach Ausrufung der „Hudna" durch die radikal-islamistischen Hamas und den Islamischen Dschihad wurde an mehreren Orten geschossen, bis auch die Fatah-Bewegung die Waffenruhe verkündete. Im Gegensatz zu den Islamisten, welche sich zu dreimonatigem Stillhalten verpflichteten, will die Fatah sogar ein halbes Jahr Ruhe bewahren.

Unterdessen sind Jassir Arafat und Ägypten die großen Gewinner der Verhandlungen über die beiden Vereinbarungen, die Waffenruhe und das Sicherheitsabkommen. Ohne den von Israel und den USA boykottierten Palästinenserpräsidenten Arafat ging letztlich nichts. Der palästinensische Ministerpräsident Mahmud Abbas musste am Ende Arafats Machtwort abwarten, um die beiden Abkommen unter Dach und Fach zu bringen. Arafat hat damit allen gezeigt, dass er innerhalb des palästinensischen Führungszirkels praktisch allein entscheidet.

Ohne die intensiven ägyptischen Bemühungen wäre die „Hudna" wohl nie zustande gekommen. Ägypten hat sich wieder als arabische Führungsmacht etabliert: Kairo genießt nicht nur das Vertrauen der Amerikaner, sondern hat auch nachgewiesen, dass sich Ägypten auch bei schwierigsten Bedingungen durchzusetzen weiß.

Israels Regierungschef Ariel Scharon und der palästinensische Ministerpräsident Mahmud Abbas werden sich am heutigen Dienstag erneut treffen, um den Friedens-Fahrplan weiter umzusetzen. Die beiden Chefunterhändler, der palästinensische Sicherheitsminister Mohammed Dahlan und Israels Besatzungskoordinator Amos Gilad, einigten sich bereits am Montag darauf, dass die Palästinenser die Verantwortung für die Sicherheit in Bethlehem im Westjordanland übernehmen – nachdem sich die Israelis aus der Geburtsstadt Jesu zurückgezogen haben.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false