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Politik: Nagelprobe für die Nato

Von der Allianz geführte Internationale Schutztruppe Isaf übernimmt Kommando im Süden Afghanistans

Die Nato steht vor ihrem bisher gefährlichsten Einsatz in Afghanistan, vielleicht sogar in ihrer Geschichte. „Das ist eine der größten Herausforderungen, die die Nato jemals übernommen hat“, sagte Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer. Die Sicherheitslage im Süden des Landes ist so schlecht wie nie seit dem Sturz der Taliban. Bisher hatten die US-befehligten Koalitionstruppen das Kommando für die Krisenregion inne. In über vier Jahren gelang es ihnen aber nicht, den Süden des Landes zu befrieden. Im Gegenteil: Die Taliban scheinen dort neu zu erstarken.

Die Isaf-Schutztruppe wird seit August 2003 von der Nato geführt. Ihre gut 10 000 Soldaten operierten bisher aber nur im vergleichsweise friedlichen Norden und Westen sowie in der Hauptstadt Kabul. Nun will die Isaf mehr als 8000 zusätzliche Soldaten überwiegend aus Großbritannien, Kanada und den Niederlanden im Süden stationieren, im Gegenzug wollen die USA ihre Truppen abbauen. Die rund 2850 deutschen Isaf-Soldaten sollen nicht im Süden eingesetzt werden. Die Bundeswehr hat seit 1. Juni das Regionalkommando für die Isaf in Nordafghanistan inne.

Die Isaf-Soldaten sollen im Süden für Sicherheit und Ruhe sorgen und so der Regierung helfen, die Kontrolle über die Krisenregion zurückzugewinnen und den Wiederaufbau voranzutreiben. Dies dürfte eine schwierige Aufgabe sein. Tatsächlich erweisen sich die Taliban weitaus stärker als angenommen. Afghanistan erlebt die blutigsten Monate seit Ende 2001, fast täglich kommt es zu Anschlägen und Gefechten. Mehr als 1700 Menschen wurden seit Jahresbeginn getötet, darunter auch 60 ausländische Soldaten.

Es gibt Zweifel daran, ob die mit einem UN-Mandat ausgestattete Isaf der Gewalt gewachsen ist. Verglichen mit den Amerikanern sind die europäischen und kanadischen Soldaten wenig kampferprobt. Eigentlich war die Isaf als Friedenstruppe konzipiert, während die US-befehligten Koalitionstruppen mit ihrem Anti-Terror-Mandat gegen Extremisten kämpfen. Mit wiederholten Militäroffensiven hatten Letztere versucht, die Taliban zurückzudrängen. Experten bemängeln auch, dass die Zahl der Isaf-Soldaten jetzt bei weitem nicht ausreiche, um die Region zu sichern.

Die Taliban sehen den Stabwechsel offenbar als Chance, um an Boden zu gewinnen. Ihr erklärtes Ziel ist es, durch massive Attacken die Isaf-Truppen zu einem Rückzug oder Teilrückzug zu zwingen. Dabei kopieren sie Terrortaktiken aus dem Irak. „Hunderte von Suizidbombern erwarten die Nato-Truppen. Wir werden unsere Offensive fortsetzen, bis die ausländischen Truppen unser Land verlassen“, sagte der Taliban-Kommandeur Mullah Dadullah der Agentur Reuters.

Die Nato will sich allerdings von den Rebellen nicht in die Knie zwingen lassen. Man werde so lange bleiben, „wie die Regierung und das Volk Afghanistans unsere Unterstützung benötigen“, sagte Isaf-Kommandeur David Richards bei der Übergabezeremonie.

Die Isaf will ihren Afghanistan-Einsatz bis Ende des Jahres auch auf die unruhigen Ostprovinzen ausweiten. Auch dort erwartet die Truppen Gewalt, wie sich erneut am Montag zeigte. Bei einem Anschlag auf den Gouverneur der ostafghanischen Provinz Nangarhar wurden mindestens sechs, andere Quellen sprachen von acht, Menschen getötet. Der Gouverneur sei bei der Explosion einer Autobombe vor einer Moschee in Nangarhars Hauptstadt Dschalalabad unverletzt geblieben.

Christine Möllhoff

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