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Politik: Nah dran

Bei einer Razzia in Kirkuk soll der einstige Vize von Saddam Hussein gefasst worden sein. Die USA bestreiten das

Von Andrea Nüsse, Amman

und Susanne Fischer, Bagdad

Noch herrscht Verwirrung um den Verbleib von Saddam Husseins Stellvertreter Isset Ibrahim al Duri. Die US-Armee soll die Suche nach der Nummer zwei des gestürzten Regimes in der Region um die nordirakische Stadt Kirkuk intensiviert haben. Nach verschiedenen Medienberichten wurde al Duri dabei festgenommen oder getötet. Eine offizielle Bestätigung gibt es dafür bisher nicht. Später dementierten die USA irakische Angaben über eine Festnahme al Duris - und sorgten damit für weitere Unklarheit über das Ergebnis einer laufenden Razzia.

Selbst wenn sich die Gerüchte als richtig erweisen, ist der Erfolg der Amerikaner umstritten. Al Duri, der Nummer sechs auf der US-Fahndungsliste war, wird den Aufenthaltsort von Saddam Hussein wohl kaum verraten, wenn er ihn denn kennen würde. Darauf hatten die Amerikaner auch bei der Festnahme von Saddams Privatsekretär vor einigen Wochen vergeblich gehofft.

Aber al Duri wird vorgeworfen, einen Teil der Anschläge im Irak zu orchestrieren und zu finanzieren. Daher hatten die USA im November eine Belohnung von zehn Millionen Dollar für Hinweise, die zu seiner Ergreifung führen, ausgesetzt. Vor etwa einer Woche hatten die US-Truppen die Ehefrau und eine Tochter des nach Saddam meist gesuchten Mannes im Irak festgenommen, um sie zu verhören. Womöglich aber sind die Erwartungen der USA aber auch illusionär: Denn der seit Jahren schwer Kranke - al Duri leidet an Leukämie, war kurz vor dem Krieg in Wien zur Behandlung, verließ das Krankenhaus aber aus Angst vor einer Festnahme – war alles andere als eine Führungsfigur.

Der ewig bleichgesichtige Mann mit dem roten Schnauzbart und den roten Haaren bewegt sich seit den 60er Jahren, als er gemeinsam mit Saddam im Gefängnis saß, im Umfeld des ehemaligen irakischen Staatschefs. Doch er galt als Paladin am Hofe Saddams, der vor allem deshalb zum Vize-Staatschef aufstieg, weil er seinem Herrn niemals hatte gefährlich werden können.

1942 wurde al Duri als Sohn eines Eisverkäufers bei Tikrit, der Heimatregion Saddams, geboren. Nach dem Putsch von 1968 stieg er schnell in der Baath-Partei auf und war in den 70er Jahren Landwirtschafts- und Innenminister. Eine seiner Töchter war kurz mit Saddam Husseins Sohn Udaí verheiratet. Al Duri stieg auf zum Vizechef des Revolutionären Kommandorats der Baath-Partei. Saddam, der sein Land aus Sicherheitsgründen seit Jahrzehnten nicht verlassen hatte, sandte al Duri als Gesandten ins Ausland.

Beim arabischen Gipfel in Beirut im Frühjahr 2002 brach al Duri öffentlich das Eis mit Kuwait und Saudi-Arabien, als er dem kuwaitischen Außenminister die Hand schüttelte und den saudischen Kronprinzen Abdallah umarmte und küsste. Weniger diplomatisch zeigte er sich beim arabischen Sondergipfel kurz vor dem Angriff der USA in diesem Jahr: Vor laufenden Kameras beschimpfte er den saudischen Vertreter als „Verräter" und Lakaien der USA.

Kurz vor dem jüngsten Krieg ernannte Saddam ihn zum Oberkommandierenden für die nördlichen Provinzen Iraks. Im Oktober vergangenen Jahres war es al Duri, der den ungläubigen ausländischen Journalisten in Bagdad das Ergebnis des Referendums mitgeteilt hat, mit dem Saddam für weitere sieben Jahre im Amt bestätigt wurde: Bei 100-prozentiger Wahlbeteiligung hätten sich 100 Prozent der Wähler für eine weitere Amtszeit des irakischen Führers ausgesprochen, erklärte er, ohne die ernste Miene zu verziehen. „Ein einmaliger Erfolg dieser einzigartigen demokratischen Praxis“, ereiferte er sich damals weiter. Ein Mann des Militärs war al Duri nie. In seiner grünen Kampfuniform wirkte er auf Fernsehbildern eher deplatziert und tat sich vor allem als glaubensseliger Präsidentenverehrer hervor.

Die Fahndung nach al Duri konzentrierte sich auf die Region um Kirkuk. Die nordirakische Region wird überwiegend von sunnitischen Muslimen bewohnt. Sie sind Saddam und seinen Getreuen teilweise durch Stammesloyalitäten verbunden oder waren dem Regime wohl gesonnen, weil sie eine Vorzugsbehandlung genossen. Nach Angaben des lokalen Polizeichefs Awad al Obeidi konzentrierte sich die Suche auf den ältesten Sohn al Duris, der angeblich zwei Brigaden Befehle seines Vaters übermitteln soll. Auch das Haus eines Stammesführers in dem Dorf al Sawalha, 75 Kilometer südlich von Kirkuk, soll durchsucht worden sein. Hier hat sich al Duri angeblich vier Mal seit dem Fall des Regimes aufgehalten. Auch Saddam, wenn er denn noch am Leben und im Lande sein sollte, wird in dieser Gegend vermutet.

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