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Der Vorschlag von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sei nicht abgestimmt, ließ Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) mitteilen.

© picture alliance / dpa

Nahles kontra Schäuble: Koalition streitet über späteren Rentenbeginn

In der Regierung gibt es Streit um einen späteren Rentenbeginn. Arbeitsministerin Andrea Nahles lehnt einen entsprechenden Vorstoß des Finanzministers ab - und in der SPD-Fraktion mahnen sie, dass nicht jeder so fit sei wie die Queen.

Mit seiner Forderung nach einem späteren Rentenbeginn steht Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) im Regierungslager momentan sehr einsam da. "Das ist kein abgestimmter Vorschlag der Bundesregierung", stellte eine Sprecherin von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) am Donnerstag in Berlin klar. "Das steht nicht zur Debatte." Auch der Vorsitzende der Unionsfraktion, Volker Kauder, ging auf Distanz. Er finde es "ein bisschen eigenartig", dass ausgerechnet in einer Zeit der größten Rentenerhöhung seit Jahren solche Debatten angestoßen würden, sagte der CDU-Politiker.

"Nicht jeder verfügt über royal-robuste Gesundheit bis ins Alter"

Schäuble habe sich offenbar übermäßig "von der royalen Berichterstattung rund um den 90. Geburtstag der Queen beeinflussen lassen", spottete die Rentenexpertin und stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Carola Reimann. Doch „nicht jeder ist so fit wie die Queen", nicht jeder verfüge über eine "royal-robuste Gesundheit bis ins hohe Alter". Deshalb sei mehr realistisches Augenmaß gefordert. "Schäuble sollte zu einer pragmatischen Sachpolitik zurückkehren, die einem Finanzminister besser ansteht."

Schäuble hatte am Mittwochabend bei einer Veranstaltung auf Einladung von Ex-Bundespräsident Roman Herzog gesagt, man müsse eine Debatte führen über das Renteneintrittsalter und die steigende Lebenserwartung. Erwägenswert sei, diese in der Rentenformel in einen automatischen Zusammenhang zu bringen. Die Altersgrenze könne stärker flexibilisiert werden. Man müsse wegen der demographischen Entwicklung „etwas tun bei den Betriebsrenten“. Die Riester-Rente bezeichnete Schäuble als zu bürokratisch. Er fügte hinzu: „Ich fand den Satz süß, dass die Rente zu wichtig sei, um damit Wahlkampf zu führen.“

Nahles hatte angekündigt, bis zum Ende des Jahres ein Konzept für eine umfassende Rentenreform vorzulegen. Darin will sie auch die demografische Entwicklung berücksichtigen. Bis zum Sommer will die Ministerin ihre Pläne zur Verbesserung der Betriebsrenten präsentieren.

Gewerkschaften sehen in Schäubles Vorstoß ein Ablenkmanöver

Die Gewerkschaften reagierten empört auf Schäubles Vorstoß. Jetzt eine Debatte über ein höheres Rentenalter loszutreten, sei "ein billiges Ablenkungsmanöver" des Finanzministers, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Damit sei die Rente nicht zukunftsfähig zu machen, stattdessen würden die Leistungen weiter verschlechtert.

"Jede Anhebung der Regelaltersgrenze ist de facto eine verdeckte Rentenkürzung, denn damit steigt auch die Zahl jener, die vorzeitig mit höheren Abschlägen aus dem Erwerbsleben ausscheiden, weil sie es schlicht nicht gesund und in sozialversicherter Beschäftigung bis zur Rente schaffen", sagte Buntenbach. Ein höheres Renteneintrittsalter führe zu noch mehr Armut im Alter.

Schäuble wolle Millionen von Menschen um ihren wohlverdienten Ruhestand bringen, sagte die Fraktionschefin der Linken, Sahra Wagenknecht. "Wer arm ist, stirbt früher und wer einen harten Job hat, kann nicht bis 70 arbeiten." Bereits die Rente mit 67 sei ein Griff in die Tasche der Arbeitnehmer gewesen, denn nach wie vor sei nur eine Minderheit zwischen 60 und 65 überhaupt sozialversicherungspflichtig beschäftigt. "Statt weltfremde Diskussionen über die Rente mit 70 zu führen, sollte die Bundesregierung lieber den Riester-Schwindel beenden und das gesetzliche Rentenniveau anheben."

Junge Union will Renteneintritt erst mit 70

Die Junge Union (JU) verlangte eine schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters von 67 auf 70 Jahre ab 2030. Um das Rentenniveau nicht so weit absenken zu müssen, dass immer weniger Menschen davon leben könnten, sollte das Renteneintrittsalter an die steigende Lebenserwartung gekoppelt werden, sagte JU-Chef Paul Ziemiak der „Rheinischen Post“ .

Auch der Gesamtverband der Deutschen Versicherungwirtschaft unterstützt Schäubles Forderung nach mehr Flexibilisierung. „Starre Altersgrenzen passen nicht zu der weiter dynamisch steigenden Lebenserwartung", sagte Präsident Alexander Erdland. Trotz der Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 werde ein im Jahr 2000 geborener Mann fast drei Jahre länger Rente beziehen als sein 1964 geborener Vater. Erdland forderte einen Runden Tisch zur Altersvorsorge, um die Rahmenbedingungen für die nächsten Jahrzehnte festzulegen. Die Menschen müssten Planungssicherheit haben, sagte er.

Das größte Problem werde das Gesundheitssystem sein, warnte Schäuble. Dies werde Deutschland in nächster Zeit noch "bitter schwer" gesellschaftlich beschäftigen. Der Minister verwies dabei unter anderem auf die Kostenexplosion, die nicht tabuisiert werden dürfe.

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