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Nahost: Arabische Häme für Scharon

Bei Ariel Scharons Amtsantritt als Ministerpräsident 2001 stöhnte die gesamte arabische Welt auf. Doch einigen wird er fehlen.

Kairo - «Oh Gott, jetzt wird Israel über Jahre keine Verhandlungen mehr mit den Arabern führen», orakelten damals die Politiker und Experten zwischen Kairo und Beirut. «Der Schlächter ist wieder da», titelten arabische Zeitungen. Niemand hätte sich damals vorstellen können, dass es eines Tages arabische Kommentatoren geben würde, die ein Verschwinden Scharons von der politischen Bühne beklagen.

Und doch: Obwohl sein Name für die Araber bis heute untrennbar mit dem Massaker der mit Israel verbündeten libanesischen Milizen in den palästinensischen Flüchtlingslagern Sabra und Schatila von 1982 verbunden ist, so gibt es inzwischen immerhin eine Minderheit, die ihn gerne noch eine Weile an der Spitze der israelischen Regierung gesehen hätte. «Israel fehlt nun eine entscheidende Persönlichkeit wie Scharon, die gewagte Entscheidungen treffen und gegenüber den Arabern Zugeständnisse in Bezug auf die (von Israel besetzten) Gebiete machen kann», meint Thiab Machadmeh, Politikprofessor der Universität von Jordanien. «Er war ein Mann, der schwierige und schmerzhafte Entscheidungen treffen konnte», heißt es an diesem Freitag in einem Leitartikel der überregionalen arabischen Tageszeitung «Al-Hayat».

Der libanesische «Daily Star» räumt ein, dass sich Scharon in den letzten Monaten «neu positioniert hat», weg von der extremen Rechten hin zur politischen Mitte. Für die Kommentatoren der saudiarabischen Zeitung «Al-Watan» sind solche Äußerungen dagegen nur Heuchelei. Sie schreibt «auch das Bedauern einiger Araber und vor allem auch Palästinenser wird aus ihm keinen Anwalt des Friedens machen».

Insgesamt überwiegt in der arabischen Welt die Häme und es gibt gerade bei den palästinensischen Flüchtlingen, die in Libanon ein tristes Dasein fristen, Menschen, für die Scharons Einlieferung ins Krankenhaus eine gute Nachricht war. In einigen Lagern standen am Donnerstag Frauen auf den Balkonen ihrer ärmlichen Behausungen und stießen Freudentriller aus. Militante Palästinenser verteilten Süßigkeiten, wie es sonst nur an Festtagen üblich ist. «Kein Palästinenser ist traurig über den Verlust eines Kriegsverbrechers», meint der Vorsitzende der Demokratischen Front für die Befreiung Palästinas (DFLP), Naif Hawatmeh, in Damaskus.

Auch in der arabischen Welt gilt im Prinzip der Grundsatz, dass man über jemanden, der schwer krank oder tot ist, nicht schlecht sprechen soll. Doch im Falle von Ariel Scharon, der in dieser Region für viele eine Symbolfigur der israelischen Besatzung ist, wird diese Regel außer Kraft gesetzt. Die saudiarabische Zeitung «Arab News» veröffentlicht an diesem Freitag, während israelische Ärzte um das Leben des Regierungschefs kämpften, eine bitterböse Karikatur. Unter der Überschrift «Scharons Hirnblutung» zeigt der Zeichner, wie die Ärzte die Schädeldecke des Politikers öffnen. Anstatt eines Gehirns finden sie Raketen, Handgranaten und Kampfhubschrauber. (Von Anne-Beatrice Clasmann, dpa)

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