zum Hauptinhalt

Politik: Nahost: Der große und der kleine Terror

Was haben die Araber nur gegen die Palästinenser? Sie unternahmen auf dem Gipfel in Beirut nichts, um ihren Brüdern zu helfen, die unter der israelischen Besatzung leiden.

Was haben die Araber nur gegen die Palästinenser? Sie unternahmen auf dem Gipfel in Beirut nichts, um ihren Brüdern zu helfen, die unter der israelischen Besatzung leiden. Sie sind seit Jahrzehnten nicht bereit, einen Teil der palästinensischen Flüchtlinge einzubürgern, um Druck aus dem Nahostkonflikt zu nehmen. Sie sträuben sich dagegen, Arafat Asyl zu gewähren, falls der von Scharon ins Exil geschickt wird. Und ihre schärfste Waffe, den Ölboykott, wollen die muslimischen Staaten auch nicht in die Hand nehmen, um die Sache des palästinensischen Volkes zu unterstützen. Was also haben die Araber gegen die Palästinenser?

Zum Thema Online Spezial: Nahost Fotostrecke: Der Nahe Osten zwischen Krieg und Friedensplänen Umfrage: Gehören Arafat und Scharon in den Ruhestand? Vielleicht sollte man lieber anders fragen: Was haben die Araber von den Palästinensern, was haben sie davon, sie als ewiges Märtyrervolk, als blutende Marionette am Leben und am Leiden zu halten? Die kuwaitische Regierung hat es gestern auf den Punkt gebracht, als sie ihre Ablehnung eines Ölboykotts so begründete: Wenn man nicht mehr so viel Öl verkaufe, dann habe man ja nicht mehr genug Geld, um den lieben palästinensischen Brüder zu helfen. Ist das perfide oder nur noch dreist?

Es spricht vieles dafür, dass die Araber die von den Israelis unterdrückten Palästinenser brauchen - und sie nur so brauchen: als Ventil für ihre Despotien, als Projektionsfläche für die Wut ihrer Unterschichten, als Beweis dafür, dass der arabische Mensch stets vom Westen unterdrückt wird, als Objekt für ihren maulheldischen Radikalismus. Die Araber reiten - um eine Formulierung von Wolf Biermann zu entleihen - mit dem Arsch der Palästinenser durchs Feuer.

Seit dem 11. September ist das palästinensisch-israelische Hassspiel der arabischen Führer jedoch außer Kontrolle geraten. Denn einige Hetzer haben sich nicht mehr an die Regel gehalten, dass das Spiel auf israelisches Territorium begrenzt bleiben muss. Ein paar Araber haben das Ganze so ernst genommen, dass sie den Konflikt erfolgreich in die Hauptstadt der Erde trugen. In der Folge bemühte man sich von arabischer Seite, den großen, den ganz ernsten, den auch für sie gefährlichen Konflikt mit dem Westen zu vermeiden, den kleinen mit Israel aber wie gewohnt weiter zu führen - irgendwo muss der Hass ja hin.

Jetzt geht auch dieses Kalkül nicht mehr auf: Der kleine Konflikt droht zum großen zu werden. Die Lage in Nahost spitzt sich derart zu, dass eine erneute Internationalisierung nur noch eine Frage der Zeit zu sein scheint. Wir hatten das schon einmal, die Älteren in Deutschland erinnern sich noch gut an das, was vor dreißig Jahren bei den Olympischen Spielen in München geschehen ist: Palästinensische Terroristen ermordeten elf israelische Sportler.

Die Grenzen zwischen großem und kleinem Konflikt verwischen. Ob nun Al Qaida oder Hisbollah, ob Terror aus Palästina und Jordanien oder aus Saudi-Arabien und Afghanistan, wird zweitrangig. Der große Konflikt ist der kleine, der kleine ist der große. Ob Arafat ins Exil muss und seine Sache in alle Städte des Westens auswandert, sich wieder internationalisiert, oder ob es eine Lösung für die Palästinenser gibt - so oder so endet das Doppelspiel der arabischen Staaten. Sie werden ihre palästinensischen Märtyrer-Marionetten verlieren, weil die Palästinenser nicht mehr unterdrückt werden. Oder sie werden in die Konfrontation mit dem Westen hineingezogen. Beides kann sie hinwegfegen.

Wie die arabischen Staaten, so haben auch die USA lange an die Trennbarkeit von nahöstlichem und internationalem Terrorismus geglaubt. Die Bush-Administration ging nach allen Regeln der militärischen und diplomatischen Kunst gegen Al Qaida und Taliban vor. Nun will man sich Saddam vornehmen, nicht weil er die nächstgrößere Gefahr ist, sondern weil man glaubt, mit diesem schon eingeführten Feindbild auf siegerprobtem Terrain am besten klarzukommen. Den Nahen Osten vernachlässigte die US-Regierung. Sie gab widersprüchliche Signale und muss nun erkennen: Die vielen namenlosen Irren aus Hisbollah, Dschihad oder von den Al-Aksa-Brigaden sind möglicherweise noch gefährlicher als der kalkulierbare Irre aus dem Irak. Es liegt also im Interesse der USA, nun endlich in Nahost einzugreifen, Scharon seine Siedlungen und Arafat seinen Terror zu entwinden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false