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Nahost: Türkischer Armeechef droht Syrien

Der türkische Armeechef Necet Özel hat dem Nachbarn Syrien mit heftigeren Vergeltungsschlägen gedroht, falls der Beschuss aus Syrien auf türkisches Staatsgebiet anhalten sollte. Auch am Dienstag hatte Özel schon eine unmissverständliche Botschaft ausgesandt.

Der türkische Armeechef Necet Özel hat dem Nachbarn Syrien mit heftigeren Vergeltungsschlägen gedroht, falls der Beschuss aus Syrien auf türkisches Staatsgebiet anhalten sollte. „Wenn das weitergeht, werden wir noch heftiger, noch schlimmer reagieren“, sagte der Generalstabschef am Mittwoch bei einem Besuch in der Grenzstadt Akcakale, in der in den vergangenen Tagen mehrmals Granaten aus Syrien eingeschlagen waren. „Wir haben sofort geantwortet und (den Syrern) schwere Verluste beigebracht“, sagte er nach einer Meldung des türkischen Fernsehsenders NTV.

General Özel, der seit Montag die türkischen Truppen an der Grenze inspiziert, besuchte in Akcakale die Familie der zwei Frauen und drei Kinder, die am Mittwoch vergangener Woche beim Einschlag einer syrischen Granate ums Leben gekommen waren. Von einigen Bewohnern Akcakales wurde der General mit Jubelrufen gefeiert. Özel reagierte mit erhobener Faust und der Antwort: „Wir sind hier, wir stehen aufrecht.“

Bereits am Dienstag hatte Özel während seines Besuchs eine überdeutliche Botschaft ausgesandt. In voller Kampfmontur nämlich besuchte er zusammen mit anderen hohen Generälen einige Stützpunkte seiner Soldaten an der syrischen Grenze. Von einem Wachturm aus ließ er sich die Lage auf der syrischen Seite erläutern. Die Truppeninspektion diente dem Zweck, die „Kriegsbereitschaft“ der Einheiten an der Grenze zu überprüfen, wie die Zeitung „Hürriyet“ meldete.

Nach Presseberichten verlegte die türkische Armee seit Tagen zusätzliche Panzerverbände in die Grenzprovinzen Hatay und Sanliurfa. Auf der Militärbasis im südostanatolischen Diyarbakir trafen demnach 25 zusätzliche Kampfjets ein. Sie sollen bei Angriffen auf Stellungen der kurdischen PKK-Rebellen im Nordirak eingesetzt werden, aber auch für Luftangriffe in Syrien bereitstehen.

Die Oppositionszeitung „Cumhuriyet“ berichtete von einem Fünf-Stufen-Plan Ankaras, der als letzte Option auch eine Intervention mit Bodentruppen in Syrien vorsehe. In Regierungskreisen hieß es dazu, zwar würden militärische Vorkehrungen getroffen, doch gebe es keine Pläne für eine Bodenoffensive.

Seit dem Tod von fünf türkischen Zivilisten durch eine syrische Granate am vergangenen Mittwoch sind noch mehrmals Geschosse aus dem Nachbarland auf türkischem Territorium aufgeschlagen. Die türkische Armee antwortete jedes Mal mit Schüssen auf syrisches Territorium.

Faruk al Scharaa war Jahrzehnte lang Außenminister und ist seit kurzem Vize-Präsident Syriens.
Faruk al Scharaa war Jahrzehnte lang Außenminister und ist seit kurzem Vize-Präsident Syriens.

© picture alliance / dpa

Die syrische Führung hat der Türkei vorgeworfen, sie habe die jüngsten Angriffe an der Grenze selbst inszeniert. Die regierungsnahe syrische Tageszeitung „Al-Watan“ schrieb am Mittwoch, Ziel dieser Taktik sei es, die Einrichtung eines „befreiten Gebietes“ im Norden der syrischen Provinz Idlib durchzusetzen.

Die Zeitung, die einem Cousin von Präsident Baschar al-Assad gehört, spekulierte weiter: „Die Türkei will eine Pufferzone auf syrischem Gebiet durchsetzen, die dann angeblich von der «Freien Syrischen Armee« kontrolliert wird, praktisch aber von der türkischen Armee geschützt wird. “ In diesem Gebiet sollten dann nach dem Willen der Türkei Lager für Vertriebene entstehen.

Die Nato erklärte in Brüssel, die Türkei könne im Ernstfall selbstverständlich mit Hilfe des Bündnisses rechnen. Alle Pläne zur Verteidigung der Türkei lägen bereit, sagte Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen. Er fügte allerdings hinzu: „Wir hoffen aber, dass dies nicht notwendig sein wird, dass alle Beteiligten Zurückhaltung zeigen und eine Eskalation der Krise vermeiden.“ Auch Deutschland sicherte Ankara Solidarität zu. Berlin stehe fest an der Seite der Türkei, sagte Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU). „Wir halten für richtig, dass die Türkei entschlossen und besonnen reagiert hat und reagieren wird, und alle sollten daran arbeiten, dass es dabei bleibt.“

Erdogan kündigte vor der Parlamentsfraktion seiner Regierungspartei AKP an, die Vergeltungsschläge würden weitergehen. Die Türkei habe keine territorialen Ansprüche in Syrien, sondern wolle sich selbst verteidigen und den Nachbarn „aus dem Chaos befreien“, wie er sagte. „Assad ist am Ende“, sagte Erdogan über den syrischen Präsidenten. „Er hält sich nur noch auf Krücken auf den Beinen. Wenn die Krücken fallen, dann fällt auch er.“

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon rief die syrische Regierung zu einem einseitigen Waffenstillstand auf, um das Blutvergießen zu beenden. Ein solcher Schritt müsse dann auch von der Opposition akzeptiert werden, sagte Ban in Paris.

Auch die Türkei arbeitet an einer neuen politischen Initiative für Syrien. Erdogans Außenminister Ahmet Davutoglu hat den syrischen Vizepräsidenten Faruk al Scharaa als möglichen Chef einer Übergangsregierung nach einem Rücktritt Assads ins Gespräch gebracht. Das Thema dürfte kommende Woche bei einem Besuch des internationalen Syrien-Vermittlers Lakhdar Brahimi in Ankara zur Sprache kommen. Molham Aldrobi, ein führendes Mitglied des Oppositionsdachverbandes Syrischer Nationalrat (SNC), sagte dem Tagesspiegel, Scharaa komme infrage, da er offenbar nicht in Gewalttaten verwickelt sei. Scharaa war 22 Jahre lang Außenminister Syriens gewesen. Die endgültige Entscheidung falle bei einer SNC-Generalversammlung nächste Woche in Doha. Auch ein Berater der syrischen Rebellengruppe Freie Syrischer Armee (FSA) äußerte sich nach einer Meldung der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu zustimmend zu dem Vorschlag.

Die Türkei dringt nicht zuletzt wegen der weiter wachsenden Zahl von syrischen Flüchtlingen auf eine baldige Lösung. Erdogan sagte, die Zahl der Flüchtlinge habe 100 000 erreicht – eine Schwelle, die nach offiziellen Angaben aus Ankara das Ende der türkischen Aufnahmefähigkeit markiert. In unmittelbarer Grenznähe lagern zudem weitere 8000 Syrer, die von der Türkei wegen fehlender Plätze in den Aufnahmelagern derzeit nicht ins Land gelassen werden. Die Menschen würden direkt an der Grenze mit Nahrung und Medikamenten versorgt.

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