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Nahost: Israel vor Neuwahlen?

Nach seiner schweren Niederlage im Parlament hat der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon den Abgeordneten mit "Konsequenzen" gedroht. Neuwahlen sind nun wohl kaum noch zu vermeiden.

Tel Aviv - Angesichts der hartnäckigen Gegnerschaft der «Rebellen» in seiner eigenen Likud-Partei sei Scharon der Geduldsfaden gerissen, hieß es im Armeesender. Die gegenwärtige Machtkonstellation erlaube es ihm kaum noch, «das Land normal zu regieren».

Mit einer Mehrheit von 60 zu 54 Stimmen hatten die Abgeordneten am Montagabend die Bestätigung von drei Ministern abgelehnt, die Scharon nominiert hatte. In einem zweiten Wahlgang wurden dann nur der kommissarisch amtierende Finanzminister Ehud Olmert und Mathan Wilnai von der Arbeitspartei als Wissenschaftsminister gebilligt. Scharons Gefolgsleute Seew Boim und Roni Bar-On müssen sich hingegen bis auf weiteres von ihren Ambitionen auf ein Ministeramt verabschieden.

Scharons schmerzhafte Niederlage belege, wie tief die Kluft in seiner Likud-Partei sei, schrieb die israelische Zeitung «Haaretz» am Dienstag. Acht Widersacher in seiner Partei verweigern Scharon aus Verbitterung über den Abzug aus dem Gazastreifen die Gefolgschaft, angeführt von dem im August zurückgetretene Finanzminister Benjamin Netanjahu, der offen den Sturz des Ministerpräsidenten betreibt.

Angesichts seiner Schwäche im Parlament könnte es für Scharon unmöglich werden, den Haushalt für das kommende Jahr in der Knesset durchzusetzen. Die Likud-Rebellen haben bereits gedroht, gegen das Budget zu stimmen, wenn die finanzielle Unterstützung für den Ausbau jüdischer Siedlungen im Westjordanland nicht erheblich vergrößert wird. Sie fordern auch eine größere Entschädigung für die aus dem Gazastreifen evakuierten Siedlerfamilien.

Entscheidend für die Frage von Neuwahlen sind auch für Mittwoch angesetzte parteiinterne Vorwahlen in der Arbeitspartei. Der Parteivorsitzende Schimon Peres tritt dabei gegen den ehemaligen Gewerkschaftsführer Amir Peretz an. Peretz hat bereits angekündigt, er werde im Falle eines Wahlsiegs ein möglichst rasches Ausscheiden der Arbeitspartei aus der Koalition mit Scharons Likud herbeiführen.

Beobachter sprechen nun von Neuwahlen im Frühjahr, frühestens im Februar. Scharon müsse jetzt nur noch entscheiden, ob er dabei erneut im Rahmen seiner eigenen Likud-Partei antreten will oder ob er eine neue Partei der Mitte gründen sollte, um seine Chancen zu verbessern. Das letzte Wort ist allerdings noch nicht gesprochen und Scharon hält seine Karten wie immer bedeckt. Die Likud-Rebellen vollführten «einen letzten Tanz auf der Titanic», meinte ein Kommentator der Zeitung «Haaretz» am Dienstag. «Scharon muss nur noch festlegen, wann er mit dem Eisberg zusammenstoßen will.» (Von Sara Lemel, dpa)

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