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Politik: Nahost-Konflikt: "Das Schlimmste kommt erst noch"

Kurz vor acht Uhr wird Eiman von einer gewaltigen Explosion aus dem Schlaf gerissen. "Ich dachte, mein Haus wird bombardiert", sagt der 35-jährige Bewohner von Krara.

Kurz vor acht Uhr wird Eiman von einer gewaltigen Explosion aus dem Schlaf gerissen. "Ich dachte, mein Haus wird bombardiert", sagt der 35-jährige Bewohner von Krara. Vier Kilometer nördlich seines Dorfes im Gazastreifen wurden am Montagmorgen bei einem Bombenanschlag auf einen Schulbus zwei jüdische Siedler getötet und mindestens neun Menschen verletzt, unter ihnen fünf Kinder. Die Menschen in den Autonomiegebieten fürchten die Vergeltungsaktionen der israelischen Armee. "Ihre Reaktion wird fürchterlich sein", heißt es von den Bewohnern des 3000-Seelen-Dorfes Krara. "Das Schlimmste kommt erst noch", da sind sie sich sicher.

Noch am Wochenende sah es so aus, als habe Palästinenserpräsident Jassir Arafat mit seinem Befehl zur Eindämmung der Gewalt zu einer leichten Entspannung beigetragen. Selbst die israelische Armee stellte nach Angaben ihres Kommandanten Noam Tibon eine "gewisse Beruhigung" fest. Doch der jüngste Bombenanschlag hat die Hoffnung auf ein baldiges Ende der Gewalt in den palästinensischen Autonomiegebieten wieder zunichte gemacht.

Der ferngezündete Sprengsatz explodierte, als der gepanzerte und von einer Armeepatrouille begleitete Schulbus eine Straße nahe der jüdischen Siedlung Kfar Darom passierte. Zwei Siedler, ein Mann und eine Frau, kamen ums Leben, drei Frauen und ein Mann sowie fünf Kinder wurden verletzt. Nur 200 Meter vom Ort der Explosion entfernt bewachen israelische Soldaten die Straße in die nahe gelegene jüdische Siedlung Gusch Katif. Ihr Posten liegt im Haus einer Palästinenserin. Es wurde während der ersten Intifada von der israelischen Armee beschlagnahmt. Die beiden Hütten neben "Machfusas Haus" sind erst ein paar Monate alt und von Kugeln durchsiebt.

Auf einem nahe gelegenen Feld schießen junge Palästinenser mit ihren Schleudern auf Vögel. "Ihnen ist langweilig", sagt der 28-jährige Rassan. "So geht das jeden Tag", klagt die 48-jährige Itaf, Mutter von elf Kindern. Ihr ältester Sohn lümmelt vor dem Fernseher, wo Bilder des Jerusalemer Tempelbergs über den Bildschirm flackern. Dort hatten die blutigen Unruhen nach dem provokativen Besuch des israelischen Rechtsaußen-Hardliners Ariel Scharon ihren Anfang genommen.

Eiman wartet angstvoll auf den Einbruch der Nacht. "Ich habe Angst. Sie könnten uns verkleidete Soldaten schicken." Nacht für Nacht verschanzen sich die Dorfbewohner aus Furcht vor israelischen Vergeltungsaktionen in ihren Blechhütten und bescheidenen Ziegelhäusern. Die meisten von ihnen sind Kleinbauern, die den kargen Böden im Gazastreifen ihren Lebensunterhalt abtrotzen. "Bei Sonnenuntergang gehen wir in die Häuser und warten", sagt Rassan. "Mein Haus hat ein Wellblechdach, wie kann es mich da schützen?", klagt Abu Nasser. Der 53-jährige Bauer bedauert trotzdem nicht, vor fünf Jahren aus dem Irak in den Gazastreifen gezogen zu sein. "Mein Palästina ist mir teuer."

Catherine Hours

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