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Politik: Nahost: Leere Straßen, Kirchen und Geschäfte

Ein paar Spatzen hüpfen auf den Steinquadern der Via Dolorosa in der Altstadt von Jerusalem. Wo sonst Pilger und Touristen an den Ostertagen den Leidensweg Christi entlang wandern, herrscht Stille.

Ein paar Spatzen hüpfen auf den Steinquadern der Via Dolorosa in der Altstadt von Jerusalem. Wo sonst Pilger und Touristen an den Ostertagen den Leidensweg Christi entlang wandern, herrscht Stille. Und das schon seit Tagen. Soldaten mit Sonnenbrillen und Maschinenpistolen bewachen die Stadttore. In der verwaisten Gasse, in der Jesus angeblich sein Kreuz trug, kicken palästinensische Kinder einen zerfetzten Fußball an die geschlossenen Ladentore. Kaum ein Verkäufer hat am Montag geöffnet, nicht einmal Souvenirstände. Die Serie von Selbstmord-Anschlägen lähmt das Leben im Heiligen Land.

Nur Alaa Al-Sari hat eine schmale Tür geöffnet. Der 19-Jährige säubert aus Langeweile seinen Laden auf der Via Dolorosa. "Seit einem Monat läuft hier kein Geschäft mehr", klagt er. In den Regalen verstauben hölzerne Kruzifixe und Marien-Statuen. Mit den christlichen Ikonen hat der Moslem kein Problem. "Die Altstadt ist eben für die Christen", meint er. Nur die Juden seien das Problem. "Die wollen nur töten." Als Konsequenz aus den blutigen Ostertagen will er die siebenköpfigen jüdischen Kerzenleuchter nicht mehr nachbestellen. Aus dem Regal schmeißen möchte er sie aber auch nicht. "Ich warte, bis sie verkauft sind."

Zum Thema Online Spezial: Nahost Fotostrecke: Nahost zwischen Krieg und Friedensplänen Ein paar Schritte weiter sitzt die katholische Ordensschwester Rita Kammermayer nachdenklich im Konvent "Notre Dame von Zion". "Der Hass und das Misstrauen sind so groß wie nie zuvor", sagt die Kanadierin mit gesenktem Kopf. "Vor wenigen Jahren gab es wenigstens noch einen Funken Respekt voreinander." Nun scheine es nur noch Vergeltung zu geben. Schuld gibt sie dem israelischen Premierminister Ariel Scharon. Er nehme den Palästinensern jede Luft zum Atmen. Die Ostermessen waren schwach besucht, nur 25 Ausländer hat Kammermayer gezählt. "Doch es gibt Hoffnung", macht sie sich Mut. Nicht das Morden in der Gegenwart zähle, sondern die Auferstehung Christi vor 2000 Jahren.

Die paar Menschen, die durch die engen Gassen der Altstadt streifen, denken eher an die unmittelbare Zukunft. Es sind meist Araber mit gefüllten Plastiktüten. "Die Leute kaufen wie wild Lebensmittel, weil sie glauben, die Gewalt kommt jeden Moment auch nach Jerusalem", so der Palästinenser Khaled Saheb.

Carsten Wieland

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