zum Hauptinhalt

Nahost: Pokern um die Zukunft

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hofft auf massive Hilfe beim regionalen Nahostgipfel. Israel will zurückgehaltene Zollgelder freigeben.

Das einzige Thema beim regionalen Nahostgipfel, der am heutigen Montag im ägyptischen Scharm el-Scheich stattfindet, ist die Stärkung von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Israel, Jordanien und Ägypten hatten sich hinter die neue Regierung gestellt, die Abbas nach der militärischen Machtübernahme durch die Hamas im Gaza-Streifen gebildet hatte. Abbas erwartet nach Angaben seines Sprechers Nabil Abu Rudeina die „vollständige Aufhebung der Belagerung und ernsthafte Schritte, um den Friedensprozess zur Schaffung eines Palästinenserstaates voranzutreiben.“

„Der Gipfel soll ein Klima zur Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen schaffen“, kündigte auch der ägyptische Außenminister Ahmed Abul Gheit an. Israel hatte Abbas Bruch mit der Hamas begrüßt und die Auszahlung der Steuern und Zölle, welche Israel im Namen der Palästinenser an den Grenzen einsammelt, in Aussicht gestellt. Das Kabinett genehmigte am Sonntag zunächst nur „grundsätzlich“ die Auszahlung eines Teils der etwa 700 Millionen Dollar, die Israel den Palästinensern seit 15 Monaten vorenthält. Zur Freilassung politischer Gefangener, eine zentrale Forderung der Palästinenser, gab es keine Entscheidung. Der langjährige palästinensische Unterhändler Saeb Erekat machte dagegen deutlich, dass die neue Palästinenserregierung unter starkem Zeitdruck steht. „Zeit ist ausschlaggebend, das ist die wichtigste Erkenntnis“, sagte er der BBC. „Wir müssen das Ende der Besatzung herbeibringen – einen palästinensischen Staat.“ Ohne diese Hoffnung werde die Verzweiflung der Menschen weiter Hamas in die Hände spielen.

Der von Abbas abgesetzte Ministerpräsident Ismael Haniya forderte dagegen die Fatah zu Gesprächen und zur Rückkehr der Regierung der Nationalen Einheit auf. Hamas-Sprecher Fauzi Barhum kritisierte die Empfehlung des Zentralkomitees der PLO, zu Neuwahlen nur Parteien zuzulassen, welche das PLO-Programm unterstützten und damit Israel anerkennten. „Das fällt nicht in die Kompetenzen des PLO-Zentralkomitees, alle Veränderungen müssen vom Parlament abgesegnet werden“, erklärte er. Hamas verfügt über eine absolute Mehrheit im Parlament, die es allerdings nicht ausüben kann, da viele Hamas-Abgeordnete seit Monaten in israelischen Gefängnissen sitzen.

Unterdessen werden in Ramallah und Gaza die Ereignisse weiter analysiert und Szenarios für die Zukunft entworfen. Der langjährige palästinensische Justizminister Freish Abu Meidan, ein Fatah-Mann der ersten Stunde, ist zutiefst frustriert. „Fatah und Hamas haben hier in Gaza darum gekämpft, wer das Gefängnis leiten darf“, sagt der Mann zynisch, der ab 1994 das Justizministerium aufgebaut und bis 2002 geleitet hat. „Jedes Hemd, jedes Mobiltelefon kommt aus Israel, hier gibt es absolut nichts zu verteilen.“ Allerdings hat für ihn das Drama bereits im Jahr 2000 begonnen, als die zweite, bewaffnete Intifada begann. „Damals haben wir unser Image und alles, was wir unter Oslo erreicht hatten, verloren“, sagt der heutige Leiter der Landbehörde in Gaza im Gespräch. Seitdem habe Israel das „Rückgrat der Autonomiebehörde“ systematisch zerstört: Der Kollaps der Autonomiebehörde, die zudem von Korruption geplagt war, sei für ihn nur eine Frage der Zeit gewesen. Heute zerfielen die Palästinensergebiete in zwei getrennte Einheiten. Die Palästinenser selbst hätten geschaffen, was Israel sich seit langem gewünscht habe. „Wenn ich Abbas wäre, würde ich die Autonomiebehörde auflösen“, sagt Abu Meidan. Ansonsten plädiert er schweren Herzens für eine Art von Föderation der Westbank mit Jordanien – auch dies ein alter Traum der Israelis. „Es ist vielleicht die einzige Möglichkeit, die weitere Zerschneidung des Palästinensergebiets durch jüdische Siedlungen zu stoppen“, sagt er resigniert.

In Ramallah macht der Fatah-Politiker Qaddura Fares, ein enger Vertrauter des in Israel inhaftierten Marwan Barghouti, den westlichen Wirtschaftsboykott für die Ereignisse mitverantwortlich. „Für die chaotische Sicherheitslage sind allerdings wir verantwortlich“, räumt er im Gespräch mit dieser Zeitung ein. Abbas müsse innerhalb weniger Tage einschneidende Personalveränderungen in Fatah und den Sicherheitsdiensten vornehmen, um ihre Glaubwürdigkeit zu erhöhen, wenn das Experiment „florierende Westbank“ funktionieren solle. „In den vergangenen Jahren haben Fatah und ihre Sicherheitsdienste nichts getan, um die Regierung zu unterstützen.“ Wenn es Abbas gelänge, „ernsthafte politische Hoffnungen zu schaffen“, könne dies zu Veränderungen auch innerhalb der Hamas führen. Ansonsten würden beide Parteien verlieren, lautet seine düstere Vorhersage.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false