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Nahost: Rückzug aus dem Gazastreifen beginnt

Israel hat nach 38 Jahren seinen Rückzug aus dem Gazastreifen begonnen. Jüdische Siedler haben noch 48 Stunden Zeit, ihre Häuser zu verlassen, danach droht ihnen Zwangsräumung. (15.08.2005, 09:16 Uhr)

Tel Aviv - Der israelische Rundfunk berichtete, seit Mitternacht (Ortszeit) seien die Einreise und der Aufenthalt in dem Gebiet im Gazastreifen für israelische Zivilisten verboten. Den Bewohnern der 21 jüdischen Siedlungen im Gazastreifen bleibt eine Frist von 48 Stunden, um ihre Häuser zu räumen. Ein Konvoi von etwa 50 Armeefahrzeugen sei kurz nach Mitternacht zum Kissufim-Übergang an der Grenze zwischen Israel und dem südlichen Gazastreifen zum Einsatz am Montagmorgen vorgerückt, berichtete die Zeitung «Jerusalem Post».

Nach israelischen Medienberichten kam es in der Nacht zum Montag im Gazastreifen und im nördlichen Westjordanland zu Auseinandersetzungen zwischen Soldaten und zumeist Jugendlichen. Dabei sei es im Gazastreifen auch zu Übergriffen auf Armeefahrzeuge gekommen. Hunderte von wütenden Jugendlichen hätten die Zufahrt zu Newe Dekalim, der größten Gemeinde im Siedlungsblock Gush Katif, blockiert. Siedlerführer versuchten, die Gemüter zu beruhigen. Im Westjordanland bei Samaria sei am späten Sonntagabend einem Soldaten der Arm gebrochen worden. In Jerusalem demonstrierten rechtsgerichtete Israelis nach Rundfunkangaben in der Nähe des Amtssitzes von Ministerpräsident Ariel Scharon gegen den Rückzug. Es ist das erste Mal, das Israel Siedlungen in einem Territorium aufgibt, das die Palästinenser für ihren künftigen Staat beanspruchen.

Jüdische Siedler haben noch 48 Stunden Zeit, ihre Häuser freiwillig zu verlassen, danach droht ihnen die zwangsweise Räumung durch das israelische Militär. Von Montagmorgen an werden israelische Soldaten und Polizisten in den Siedlungen von Haus zu Haus gehen, und die Bewohner zum freiwilligen Umzug nach Israel auffordern.

Bereits am Sonntag verließen viele jüdische Siedler in schwer beladenen Autos und Lastwagen den Gazastreifen, berichtete der israelische Rundfunk. Die zweitgrößte Siedlung Nisanit sei schon fast verlassen, schrieb die «Jerusalem Post». Etwa die Hälfte der Einwohner habe Gush Katif bereits den Rücken gekehrt, schätzten die Streitkräfte. Bewohner andere Siedlungen wollen ihre Häuser am Montag oder Dienstag aufgegeben.

Dagegen sei die Stimmung unter den zum Bleiben entschlossenen Siedlern angespannt, hieß es in anderen Berichten. Einige hofften immer noch auf ein «Wunder» in letzter Minute, das den Abzug aus dem Gazastreifen stoppen würde. Viele Siedler hatten angekündigt, die Evakuierungsbefehle zu ignorieren. Einige Ortschaften sollen die Zufahrtstore verschlossen haben, um die Räumung zu erschweren. Ein Sprecher der Siedler sagte, die Armee zähle vergeblich darauf, dass die Bewohner am Montag und Dienstag freiwillig ihre Häuser verließen. Die Streitkräfte könnten in keinem Fall mit der Kooperation ihrer Landsleute rechnen.

In Gaza-Stadt löste der Beginn des Abzugs Freudenkundgebungen aus. Nach Augenzeugenberichten zogen Dutzende von Bewaffneten durch die Stadt. Einige feuerten Freudenschüsse in die Luft, andere knieten aus Dank nieder. Es sei der Sieg, den das palästinensische Volk durch seine Opfer erreicht habe, erklärten Demonstranten. Zu der Demonstration hatte die radikale Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad aufgerufen.

Ein Armeesprecher sagte vor Journalisten am späten Sonntagabend, dass etwa 5000 Unterstützer aus Israel illegal in den Gazastreifen gekommen seien. Die Armee kündigte eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Extremisten an, die den Abzug unterbrechen wollten. Israel hatte aber auch angekündigt, dass bei palästinensischen Gewalttaten der Abzug zeitweise gestoppt werde. Man werde die Siedlungen nicht «unter Beschuss» räumen, hieß es.

Zehntausende Polizisten und Soldaten waren in Alarmbereitschaft, um Störungen des Abzugs zu verhindern. Auch 7500 palästinensische Polizisten bezogen Positionen rund um die Siedlungen, um Angriffe palästinensischer Extremisten und eine wilde Landnahme nach dem Abzug der Israelis verhindern. (tso)

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