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Nato-Gipfel: Berlin und Paris geben den Ton an

Das Duo Merkel/Sarkozy stoppt in Bukarest die Nato-Erweiterungspläne des US-Präsidenten. Damit bewährt sich eine neue alte Achse Paris-Berlin. Das alte Europa will einen großen Nachbarn nicht reizen.

Von Robert Birnbaum

Die Kanzlerin lächelt verbindlich. Der Präsident lächelt einnehmend zurück. Sollte noch irgend jemand die Frage gehabt haben, wo bei diesem Nato-Gipfel die europäische Achse verlaufen ist, für den liegt spätestens nach dem gemeinsamen Auftritt von Angela Merkel und Nicolas Sarkozy die Antwort offen zutage. Die zwei da oben auf der Tribüne des großen, marmornen Pressesaals unter dem gewaltigen, glitzernden Deckenleuchter sind die Stars der ganzen Tagung. Und sie machen keinerlei Geheimnis daraus.

Formell ist der gemeinsame Auftritt dem Umstand geschuldet, dass Deutschland und Frankreich den nächsten Gipfel ausrichten – 2006 zum 60-jährigen Bestehen des Nordatlantikpakts im französischen Straßburg und dem deutschen Kehl. Dann will Frankreich zurück in die militärischen Strukturen der Allianz; ein historisches Ereignis für sich, auch wenn Sarkozy bisher eher unklar gelassen hat, was das genau heißen soll. Aber das Jubiläum über die Rheinbrücke hinweg ist es nicht, der das Duo zusammenbringt. Bei jeder der Sachfragen, über die der Gipfel in Rumänien berichtet hat, betonen Merkel und Sarkozy ihren Schulterschluss. Von „perfekter Übereinstimmung“ schwärmt gar der Franzose.

Vor allem beim größten Streitpunkt hat sich die neue alte Achse bewährt. George W. Bush hat noch wenige Stunden vor Beginn des Gipfels am Mittwoch energisch darauf bestanden, dass die Ukraine und Georgien eine konkrete Einladung zur Mitgliedschaft ins Bündnis erhalten müssten. Doch die Einladung lässt auf sich warten. Merkel und Sarkozy – plus eine Handvoll anderer Westeuropäer hinter ihnen – haben den US-Präsidenten gestoppt. Es bedürfe noch eines „abgewogenen Prozesses“, bis beide Ex-Sowjetstaaten ihre inneren Konflikte so weit im Griff hätten, dass sie in das MAP-Programm der Nato aufgenommen werden könnten, sagt Merkel. MAP steht für den Countdown zur Vollmitgliedschaft, in der Regel dann binnen eines Jahres. Aber dafür, befanden die Westeuropäer, seien beide Staaten noch nicht reif.

Dahinter steckt die Sorge, dass man sich mit beiden Neumitgliedern mehr Sorgen einhandeln würde als ihre Mitgliedschaft derzeit für die Allianz wert ist. In der Ukraine ist die Nato höchst umstritten; ein nicht ganz kleiner Teil der Bevölkerung plädiert stattdessen für engen Anschluss an Russland. Georgien hat nach wie vor Probleme mit den nach Unabhängigkeit strebenden Provinzen Abchasien und Südossetien. In beiden Fällen ist Russland, wenn auch nur indirekt, durch diese Konflikte betroffen. Merkel wie Sarkozy versicherten zwar den Kollegen am runden Gipfeltisch, dass sie keinem Nicht-Nato-Staat ein Vetorecht in Mitgliedsfragen einräumen würden, gerade Russland nicht. Aber dass das alte Europa den großen Nachbarn im Osten auch nicht ohne Not reizen will, ist unübersehbar ein zentrales Motiv der deutsch-französischen Blockadehaltung.

Für die Aspiranten heißt das in der Praxis: Weiter warten vor der nur halb geöffneten Tür. „Wir sind heute übereingekommen, dass die Ukraine und Georgien Mitglieder der Nato werden sollen“, zitiert Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer aus dem Abschlussdokument. Nur wann, das ist offen. Nicht einmal einen ungefähren Zeitraum haben die Staats- und Regierungschefs vereinbart. „Ein Stück guter deutsch-französischer Zusammenarbeit“ nennt Merkel dieses Ergebnis. Ob Bush nicht irritiert gewesen sei über die neue Achse? „Ich hab’ das nicht festgestellt“, sagt die Kanzlerin. Man sei sich nämlich sehr schnell einig gewesen, dass dies ein Gipfel sein solle, „bei dem wir die Gemeinsamkeiten in den Vordergrund stellen“. Heißt so viel wie: Streit, wo er vorher bestand, besteht hinterher weiter; der Rest ist verschoben auf später.

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