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Frieden schaffen mit ein paar Waffen, die Nato berät über ihre Zukunft.

© dpa

Nato-Gipfeltreffen in Wales: Zurück zur glaubhaften Abschreckung!

Die Nato trifft sich in Wales zu ihrem wichtigsten Gipfel seit dem Fall der Mauer. Über den Erfolg entscheidet eins: Gelingt es dem Bündnis, das Heft des Handelns gegenüber Russland wieder in die Hand zu nehmen? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Macht hat der, auf dessen Wort hin etwas geschieht. Allmacht hat der, der tun kann, was er will. In diesem Sinne empfindet sich Wladimir Putin womöglich als allmächtig. Über die völkerrechtswidrige Annektion der Krim spricht keiner mehr. Zwei Vereinbarungen, in denen die Unverletzlichkeit der Grenzen garantiert worden war, hat er damit gebrochen – das Budapester Memorandum von 1994 sowie die Nato-Russland-Grundakte von 1997. In dem von ihm als Marionettenspieler geführten Krieg in der Ostukraine wurden bis heute 2600 Menschen getötet, eine halbe Million Menschen sind auf der Flucht.

Nach Belieben kann Putin die Lage eskalieren lassen – und sieht zufrieden zu, wie die Kriegsangst in Europa steigt. Oder er kann, wie jetzt gerade, Hoffnungen auf eine Verhandlungslösung wecken – und lullt die Friedenssehnsüchtigen ein, die ihm vergeben und alles andere vergessen wollen.

Der Kernauftrag der Nato ist der Schutz ihres Territoriums

Dem Westen dagegen ist es bisher nicht gelungen, aus seiner reaktiven Position herauszukommen. Er pendelt zwischen Sanktionen und symbolisch aufgeladenen Besuchen, etwa im Baltikum oder in Polen. Barack Obama hätte auf dem Weg nach Estland in Kiew zwischenlanden sollen. Dass er es nicht tat, verstärkt den Eindruck, auch die Ostukraine werde längst verloren gegeben. Ist sie es nicht? Niemand wird wegen der Ukraine gegen den russischen Aggressor intervenieren, gegen eine Atommacht! Doch aus solchen realpolitischen Verlautbarungen entstehen oft erst jene Fakten, die ursprünglich verhindert werden sollten.

In dieser Kaninchenhaltung treffen sich die 28 Mitglieder der Nato zum Gipfel in Wales. Es ist das wichtigste Treffen der Allianz seit dem Fall der Mauer. Über den Erfolg entscheidet eins: Gelingt es dem Bündnis, das Heft des Handelns wieder in die Hand zu nehmen? Der Kernauftrag der Nato ist der Schutz ihres Territoriums, insbesondere vor russischem Expansionsdrang. Nach dem Sieg über den Sowjetkommunismus war dieses Ziel vernachlässigt worden. Jetzt hat es Putin mit Wucht und Gewalt erneut auf die Agenda gesetzt.

Die Verteidigungsausgaben müssen erhöht werden

Ein Aktionsplan soll in Wales beschlossen werden. Er sieht eine „sichtbare“ Präsenz von Truppen in Osteuropa vor, den Ausbau der dortigen Infrastruktur sowie den Aufbau einer neuen schnellen Eingreiftruppe. All das ist richtig. Zentral allerdings ist eine geschlossene Haltung zu zwei strittigen Komplexen. Da ist, erstens, die Erhöhung der Verteidigungsausgaben. Alle Nato-Mitgliedsländer hatten 2006 versprochen, zwei Prozent ihres Bruttosozialprodukts für Verteidigung auszugeben. In Europa kommen in die Nähe dessen allein Großbritannien, Frankreich, Griechenland, Estland und Polen. Geld aber ist der zuverlässigste Indikator für Relevanz.

Da ist, zweitens, die Nato-Russland-Grundakte, die eine dauerhafte Stationierung von Nato-Soldaten in Osteuropa untersagt. Vor allem Deutschland will daran festhalten. Das allerdings sollte künftig an Bedingungen geknüpft werden. Weitaus deutlicher als bisher muss die Nato sagen, welcher Akt Putins welche Konsequenz nach sich zieht. Glaubhafte Abschreckung: Diese Maxime führte das westliche Bündnis auch vor einem Vierteljahrhundert zum Erfolg.

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