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Karl Lamers (vorne l, CDU/CSU) Mitglied des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages kommt am Dienstag in der deutschen Botschaft in Ankara (Türkei) zu einer Pressekonferenz.

© dpa

Nato-Stützpunkt Incirlik: Abgeordnete auf heikler Mission in der Türkei

Die Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland waren schon einmal besser. Nun reisen Bundestagsabgeordnete nach monatelangem Besuchsverbot zur Luftwaffenbasis Incirlik.

Der Verteidigungsausschuss des Bundestags darf die Bundeswehrsoldaten auf der türkischen Militärbasis Incirlik besuchen. Nach monatelanger Blockade durch die türkische Führung sind Karl Lamers und seine Kollegen im Verteidigungsausschuss des deutschen Bundestags an Bord. Am Mittwochmorgen bestiegen sie in Ankara eine Maschine zum Luftwaffenstützpunkt Incirlik im Süden des Landes. Die 250 Bundeswehrsoldaten wollen sie besuchen, die dort Dienst tun. "Wir haben eine Parlamentsarmee, für uns ist das selbstverständlich", sagte Delegationsleiter Lamers von der CDU vor dem Abflug. Für türkische Regierungspolitiker ist es eine "Show". Medien sind deshalb nicht zugelassen. Aus Sicherheitsgründen, heißt es offiziell.

Truppenbesuche sind Voraussetzung für eine Verlängerung des Mandats durch den Bundestag, so macht die deutsche Delegation in Ankara gleichwohl klar. Später im Herbst steht die Entscheidung darüber an. Karl Lamers gibt sich vor dem Abflug zuversichtlich: "Ich habe den Eindruck, dass das nicht eine einmalige Sache wird, sondern dass jetzt wieder Routine und Normalität auch in diesem Punkt eintreten können."

Denn in den Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei rappelt es seit dem Frühjahr gewaltig: Armenier-Resolution des Bundestags, Rauswurf und Einreiseverbot für deutsche Journalisten, Rücktritt des deutschen EU-Botschafters in Ankara nach einer scherzhaften Bemerkung, Putsch und Kritik an den massiven Säuberungswellen, dann natürlich das Erdogan-Schmähgedicht von Jan Böhmermann. Dass die Mainzer Staatsanwaltschaft nun die Ermittlungen wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts einstellte, macht die Dinge nicht leichter. Der türkische Präsident Tayyip Erdogan verlangt Genugtuung.

Grünen-Chef Cem Özdemir sieht einen „leisen Triumph der Demokratie“. Özdemir sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland am Mittwoch: „Der Bundestag fasst seine Beschlüsse ohne Einflussnahme ausländischer Regierungen. Dies hat nun auch Ankara erkannt.“

"Wir sind Verbündete, wir sind Partner, und wir sind Freunde"

Ganze zwei Stunden konferierte die sechsköpfige Delegation am Vortag im Parlament im Ankara mit den Mitgliedern des türkischen Verteidigungsausschusses - 15 Politiker von Erdogans konservativ-islamischer Regierungspartei AKP und 15 Abgeordnete der Opposition von Sozialdemokraten, Kurdenpartei und Rechtsnationalisten. Danach verkündet Lamers ein "ganz konkretes Ergebnis": der nun geknüpfte Gesprächsfaden werde fortgesetzt, der türkische Ausschuss wird nach Berlin eingeladen. Ist das viel? Oder viel zu wenig?

Mit rheinischem Frohmut rollt Lamers über das Feld der deutsch-türkischen Streitereien. Die Feststellung des türkischen Ausschussvorsitzenden Yusuf Beyazit von der AKP zitiert er: "Wir sind Verbündete, wir sind Partner, und wir sind Freunde." Genau so sei die politische Runde in Ankara vor dem Flug nach Incirlik auch verlaufen, berichtet Lamers  - "ein Gespräch unter Freunden".

Gesprochen wurde nicht nur über den gemeinsamen Einsatz der NATO-Verbündeten gegen den IS in Syrien. Um die Armenier-Resolution ging es auch, um die Visa-Liberalisierung, den Putsch vom 15. Juli und die mangelnde Solidarität der Europäer, die parteiübergreifend von allen Türken beklagt wird. "Wir schauen jetzt, wie dieser Putsch aufgearbeitet wird", sagt Lamers, und: "Wir sind überzeugt, dass dies im Rahmen des Rechtsstaats geschieht". Dann lässt Lamers aber doch seinen SPD-Kollegen Rainer Arnold den Eindruck korrigieren, die deutsche Bundestagsdelegation fände Massenverhaftungen und das Regieren mit Dekreten im weiter geltenden Ausnahmezustand vollkommen in Ordnung.

Spannungen in der Türkei auch in Deutschland spürbar

Die Türkei müsse diesen Weg korrigieren, sagte Arnold. Vor wie nach dem Putsch habe man in Deutschland die Wahrnehmung gehabt, dass die Türkei gemeinsame Werte in Europa und in der NATO wie die Wahrung der Pressefreiheit oder den Umgang mit politisch Andersdenkenden verletze. Die Regierung spalte mehr ihre Gesellschaft, als dass sie die Demokraten zusammenhalte, erklärte der SPD-Politiker. Diese Spaltungen machen sich auch in der türkischen Gemeinde in Deutschland bemerkbar.

Deutlichere Kritik kam noch vom Delegationsmitglied der Linken. Es könne nicht sein, dass trotz der Mitgliedschaft im gemeinsamen Bündnis und des EU-Türkei-Deals ein politischer Partner "mit Samthandschuhen angefasst wird, wenn dieser Partner gewisse politische Grundwerte in Europa mit den Füßen tritt", sagte Alexander Neu.

In Incirlik beteiligt sich die Bundewehr am Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat in Syrien. Mit sechs Tornado-Maschinen beobachtet sie Bewegungen des IS. Sie unterstützt dazu durch Betanken in der Luft die Einsätze der anderen Verbündeten, in erster Linie der USA. Der Verteidigungsausschuss will sich auf der Luftwaffenbasis ein Bild über Verbesserungen bei der Unterbringung der Bundeswehrsoldaten machen und über weitere geplante Investitionen.

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