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Politik: „Nazi-Jägerin“ oder Armutsforscher

Die Linkspartei und die Kandidatenfrage.

Von Matthias Meisner

Berlin - Die „Nazi-Jägerin“ Beate Klarsfeld wäre bereit, als Präsidentschaftskandidatin für die Linke anzutreten – wenn die Partei sie aufstellt. Unter diesen Vorzeichen trat am Donnerstagnachmittag eine Runde aus Parteivorstand, Führung der Bundestagsfraktion und Vertretern der Landesverbände zusammen. Mit einer eindeutigen Empfehlung gingen die führenden Genossen nicht in die Sitzung. Im Gespräch war außer der 73-Jährigen auch der Armutsforscher Christoph Butterwegge (61) aus Köln. Bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe war kein Ergebnis bekannt. Die Linkspartei stellt in der Bundesversammlung, die am 18. März über den nächsten Präsidenten entscheidet, etwa zehn Prozent der Wahlleute.

Klarsfeld war am Sonntag, zwei Tage nach dem Rücktritt von Christian Wulff als Bundespräsident, von Gesine Lötzsch ins Gespräch gebracht worden. Die Parteichefin sagte auf einem Parteitag der brandenburgischen Linken, sie schätze besonders den „persönlichen Mut“ der Antifaschistin, die 1968 den damaligen Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger (CDU) geohrfeigt und als „Nazi“ beschimpft hatte. „Wenn ich mir eine Bundespräsidentin wünschen dürfte, dann wäre es eine Frau wie Beate Klarsfeld“, fügte Lötzsch hinzu.

Das Lob von Lötzsch war mehr dahingesagt, sollte kein konkretes Angebot sein. Doch die Sache entfaltete Dynamik. Die deutsch-französische Journalistin Klarsfeld selbst, ermuntert auch von ihrem Mann Serge, suchte den Kontakt zu den Linken, telefonierte am Mittwoch mit Lötzsch. Sie sagte Termine ab und bemühte sich vergeblich auch um ein Telefonat mit Fraktionschef Gregor Gysi. Im Gespräch mit dem Tagesspiegel betonte sie, für den Fall ihrer Nominierung „kein Anti-Gauck“ sein zu wollen. „Jeder hat auf seiner Seite gekämpft. Er in der DDR, ich in Westdeutschland.“ Gauck und sie seien durch „gegenseitige Anerkennung“ verbunden. Klarsfeld betonte zugleich: „Ich vertrete nicht die Politik der Linken.“ Eine Nominierung für das höchste Staatsamt würde sie auffassen als „Anerkennung für die Arbeit, die ich geleistet habe“.

Einfach machte sich die Linke die Entscheidung nicht. Dem Vernehmen hatten sowohl Lötzschs Co-Chef Klaus Ernst als auch der Ex-Vorsitzende Oskar Lafontaine Bedenken gegen eine Ernennung von Klarsfeld. Mehrere Genossen rieten grundsätzlich ab, einen eigenen Kandidaten aufzustellen. Andere argumentierten, dass die NPD einen eigenen Kandidaten aufstellen könnte, obwohl sie in der Bundesversammlung nur drei Wahlleute hat. Bei mehreren Bewerbern und ohne eigenen Kandidaten aber bliebe der Linkspartei nur die Möglichkeit einer Enthaltung, um ihre Kritik an Gauck auszudrücken. Doch auch gegen den Vorschlag von Luc Jochimsen, Kandidatin 2010, die nächste Bundesversammlung ganz zu boykottieren, gab es viele Vorbehalte.

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